Die wahre Lehre - nach Mickymaus
konnte auch nicht verhindern, daß er wieder am ganzen Leibe zitterte, als er den abgetrennten Kopf noch argwöhnisch mit der eisenbehandschuhten Rechten abtastete. Er schnappte nach Luft und schritt auf die Höhlenpforte zu. Im Eingang stieß er sich an Resten von Skeletten. Das meiste stammte wohl von Schafen, aber dazwischen bemerkte er auch die Überbleibsel eines Esels.
Seine Nase war taub geworden. Er spürte nur, daß es in der Höhle noch angenehmer kühl war als auf dem Talboden, durch den der Bach floß.
Sein betäubtes Geruchsvermögen verhinderte nicht, daß die Stinkluft durch die Nase bis irgendwo in das Gehirn kroch. Der Edelmann mußte schon wieder Vorboten des Erbrechens unterdrücken, wiewohl er nichts mehr im Bauch hatte. Plötzlich stand er wie angefroren.
Es beobachtete ihn ein unbewegtes Auge. Daran war nicht zu zweifeln, an der hinteren Höhlenwand ragte etwas empor wie ein großer, deformierter Schatten. – Lange Minuten vergingen. Stirnschweiß maß ihm perlend die Zeit … – nichts. Grabesruhe, Pest und Moder – nichts weiter. Sein Befreiungsruf gellte ihm selbst in den Ohren in diesem niedrigen Raum. Nur ein Dummkopf fürchtet sich vor einem Aas, und das war das zweite – ein weiterer Drachenkadaver stak also hier und faulte vor sich hin; obwohl die Zersetzung in der kühlen Höhle nicht so weit fortgeschritten war wie bei dem Leichenhaufen in der heißen Sonne. Vorsichtshalber schützte er sich durch den Schild, als er sich dem – hoffentlich – toten Wesen näherte. Rasch stach er mit der Lanze zu. Die Spitze bohrte sich glatt durch die Schuppenhaut. Dies verwunderte ihn, stand es doch in krassem Gegensatz zu der Behauptung, welche die Barden über die undurchdringliche Härte der Drachenschuppen aufzustellen pflegten …
Vorsichtig zog er die Lanze wieder heraus und lief, noch immer nach Atem ringend, aus der Höhle, den Skelettresten und dem Unrat tunlichst ausweichend.
Auf dem Schräghang kniete er halb ohnmächtig nieder, betete und dankte inbrünstig. Zwei Drachen liegen hier tot, und die ganze Insel ist von der Gefahr befreit! Ist es keine Tapferkeit, wenn ein Mann die Furcht in seinem Fleisch überwindet? Ist der leere Schrecken, welcher den Helden lähmt und den Gemeinen wahnsinnig macht, nicht noch fürchterlicher und bösartiger als die lebendige Gegenwart solcher Ungeheuer? Ich habe die Feigheit bezwungen, mit Recht gebührt mir der Titel des Drachentöters gleich dem Patron aller heldenhaften Ritter, dem heiligen Georg, der auch einen Drachen schlug – doch um etliches kleiner als die beiden, welche ich, Deodatus, vor mir hatte. Jeder kann sich davon überzeugen, der die Gestalt des heiligen Georgs des Drachentöters und seines Gegners in Stein und Bild gesehen hat …
Nach dem Dankgebet und dem Luftschöpfen stieg er zu der ersten, äußeren Drachenleiche zurück, um die Hunde, die sich um die Leibesfetzen rauften, von ihrem Rasen abzubringen.
»Weg – ihr Aasköter!« schrie er heiser und trat auf sie ein. Niemand will so seltene englische Doggen verlieren, und das Drachenfleisch mag giftig sein, wie der Odem der lebendigen Bestie. Er schlug das Kreuz, spießte das abgehauene Haupt auf die Lanze. So schleifte er die Beute an der Stange nach, bis er bessere Luft erreichte. Er versuchte, den Spieß zu heben. Der elastische Lanzenstiel verbog sich wegen des Gewichts an seiner Spitze, doch er brach nicht. Mit einem Schwung warf Deodat ihn samt Trophäe über die linke Schulter, die rechte Hand mit Siegerpose am Schwertgriff. Stockheiser begann er ein Loblied auf die Heilige Jungfrau zu intonieren und eines auf den heiligen Johannes von Alexandria den Almosengeber, dem Namenspatron seines Ordens. An das vom Großkomtur verhängte Verbot dachte er überhaupt nicht. Er hatte die Drachen besiegt – er glaubte selber schon daran – und begann sich im Geiste am Staunen zu berauschen und an dem Ruhm, der sich auf seine jungen Schultern häufen würde, wenn er den ungeheuren Kopf der Bestie vor dem strengen Villanova niederlegen würde.
Er glitt und schlitterte den sonnendurchglühten Hang hinunter, die Hunde vor sich herscheuchend, bis zu der dunklen Grenze des Schattens, der von der gegenüberliegenden Berglehne fiel. Die Welt war wunderschön, und die Sonne schien noch mehr als vorher, und jetzt milde, ohne zu stechen.
Aber was war denn das? Durch das Tal zog ein vibrierender, in dieser Welt nie gehörter Klang.
Nein, es war kein Flöten- oder Saitenspiel,
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