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Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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da, kriech schon raus – komm, wenn du keine Angst hast …«
    »HAST, HASt, HAst, Hast, hast …«
    Der Widerhall verebbte an den Hängen gegenüber im Gewirr der schütteren Lorbeersträucher zwischen nackten Steinen. Unten erstickte er in dem weichen Wiesenboden, wo der Bach rann. Kein Laut von Geronimu und den Hunden – ringsum Stille. Nur das Wasser murmelte im Kies, und von weitem raunte das Meer.
    Die Angst ließ nach, aber der beißende Geruch entfachte in der äußerlichen Ruhe eine andere, innere Unruhe. Gegen das Anstinken kämpfend klomm der Geharnischte sich bis nahe an die Öffnung heran, die Stirn zur Seite nach einer kühlenden Luft gereckt, soweit der Helm diese heranließ. Er stolperte über Gesteinsbrocken, zwischen denen Sand und Kies unter seinen Tritten wegrutschten und träge abwärtsglitten.
    »Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes; ich fordere dich zum Kampf! Zeig dich, wir messen im Streit unsere Kräfte!«
    »ÄFTE, ÄFte, Äfte, äfte …« verhallte das Echo wie vorher. Der Gestank war nicht zum Aushalten. Die Angst kehrte obendrein zurück und schien ihn eher zu ersticken als die Gase. Er wollte schreien und schreien. Das Grauen abschütteln konnte er aber nicht. Überall herrschte weiterhin Stille, und nichts tat sich.
    Unvermittelt ertönte etwas aus dem Tal. Hundegebell, lauter werdendes, sich näherndes Bellen. Die Kläffer waren Geronimu entwichen und hefteten sich an die Fährte ihres Herrn. In ihrem Eifer mißachteten sie den abscheulichen Gestank völlig.
    Als ihr Besitzer die trockenen, rauhen Zungen zwischen seinen Wadenblechen und Schuhen fühlte, warf er die Last seiner Angst endgültig ab, schritt auf den Höhlenschlund zu, das Schwert im Griff über die Schulter gelegt und die Lanze mit der Linken im Anschlag.
    Er wog sie in der Faust und bemerkte mit Vergnügen das Blinken der Sonne auf der scharfen, blanken Spitze. Noch geblendet, stapfte er los und umging einen großen Stein, die Hunde dicht an seinen Fersen.
    Da – die Füße sanken in etwas Matschigem ein; er rutschte aus – und als er auf den Rücken fiel, raubte ihm der Fäulnisgeruch wieder allen Atem. Er drohte jetzt wirklich zu ersticken, dann begann er sich zu erbrechen, dazwischen ohne Geruchsempfinden Luft saugend und schluckend, während das Gestein, die Höhle und der blaue Himmel sich nach oben schoben, höher und höher. Er wand sich in Krämpfen, brach alles heraus, was er vor einigen Stunden in der Hütte bei Geronimu gegessen hatte. Dann gelang es ihm, sich auf den Ellbogen zu stützen – und er sah DAS.
    Vor ihm lag ein Haufen schleimiger, stinkender Haut, eine Wirrnis wie von Lederfetzen, ein langgezogener Kopf mit einem großen Horn und starren Augen. Es schien, als ob es ihn noch boshaft beobachtete, aber das war eine Täuschung. Denn das, was hier lag und was ihn zu Fall gebracht hatte, war nur – der Kadaver eines Drachen.
    Ja, das war er – so ein Ungetüm, von dem die Volkserzähler und die Barden berichten – groß und grauenvoll –, obwohl es sich schon nicht mehr bewegte, und die Sonne, die auf den Ort herunterbrannte, aus dem Aas einen Haufen ekelhafter Abfälle gemacht hatte.
    Deodatus de Gozon betete. Er stellte sich vor, was das Ungeheuer lebend vermochte – er konnte sich auch denken, welche Chance er allein im Kampf mit dieser Bestie gehabt hätte. Er rang erneut nach Luft, diesmal trotz des Pesthauchs mehr aus Erleichterung. Das Vieh war gewaltig, bizarr – viel größer als ein Stier. Auch so, wie er hier lag, auf die Seite gewälzt, reichte ihm der Drache bis fast zum Gürtel, und die riesenhaften Fledermausflügel, auf denen der Ritter ausgerutscht war, machten den ganzen Boden zu einem rostbraunen Pfuhl.
    Er warf den Kopf in den Nacken, bis ihn der Helm bremste, atmete, des Giftgestanks nicht achtend, abermals tief ein, mußte heftig niesen und fing an zu lachen, wild und glücklich. Das Gelächter hallte von den verschiedenen Felsen zurück und scheuchte ein paar Raben auf, so daß sie sich mit empörtem Gekreisch schwerfällig in die Luft erhoben. Er bekam einen längeren Hustenanfall. Dennoch spürte er eine wunderbare Erleichterung. Es war vorbei. Hier lag das Grauen, der Schrecken – ihm zu Füßen. Nicht einmal die Hand hatte er auszustrecken brauchen, und schon war es vorüber, so frohlockte es in ihm.
    Mit beiden Fäusten zückte er das Schwert und hieb in zwei Streichen das widerliche Haupt vom Hals. Das war nicht einfach, und Deodatus

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