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Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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Junker unschlüssig und langsam weiterritt, hielt sich der Bauer sorgfältig auf der höhlenabgewandten Seite des Pferdes und erklärte: »Da hinten ist das Loch und dort haust ES … Du kannst noch in die Stadt zurückkehren, Gebieter«, ergänzte er verlegen.
    Der Junker folgte dem Finger des Bauern und drehte sich auf dem Sattel nach rechts um. Für eine Weile überkam den Krieger gänzliche Verzagtheit, die starke Furcht vor dem Unbekannten. Aber entschlossen schüttelte er die unedle Angst ab und sprang vom Sattel. Dem Greis warf er den Zügel hin und befahl:
    »Warte hier auf mich, Geronimu … für den Drachen wäre das Roß zu schade, wie?« Er lachte etwas gezwungen und fügte hastig und kleinlaut hinzu: »Ich komme ja wieder …«
    Die Furchen in dem braunen Antlitz zogen sich zusammen. Sie gaben dem Gesicht das Aussehen einer eingeschrumpften Olive. Er griff nach des Ritters Hand und küßte sie heftig.
    »Du bist gütig, Gebieter! Du hilfst dem armen Volk, fürchtest nicht das Verbot des Komturs … aber … wenn du die geringsten Bedenken hegst, laß ab, ja, kehre lieber um, wir können es verstehen! Zu gütig bist du, Gebieter«, scholl es zum wiederholten Mal aus seinem zahnlosen Munde.
    Der Gewappnete entriß ihm die Hand und überlegte. Seine Stirn verfinsterte sich. Der Großmeister des Ritterordens, Ellion de Villanova, hatte in einem Edikt befohlen, daß sich niemand, ob Ritter oder Gemeiner, der bösen Stelle auf weniger als zehn Stadien nähere – bei Verlust der Kehle und des Vermögens. Schwer zu sagen, was eigentlich den Großkomtur zu einer solchen Strenge veranlaßt hatte. Vielleicht wollte er das Leben seiner Bevölkerung nicht noch mehr gefährden; jedenfalls haßte er die Jagdleidenschaft seiner Ritter. Erfahrungsgemäß waren die tüchtigen Jäger wenig tüchtige Krieger gegen die Ungläubigen.
    Vielleicht hielt der Komtur das Wesen keineswegs für ein Teufelstier, sondern für die Strafe des Herrn … da wäre es gar eine Lästerung, dem schrecklichen Wesen den Garaus zu machen.
    De Gozon bekreuzigte sich, genau wie Geronimu und in dieser Geste war – wie schon unsichtbar die Angst beider gezeigt hatte – nichts mehr übrig, was den stolzen, jungen Herrn von dem alten ausgenutzten Bäuerlein unterscheiden mochte.
    Es ist schandbar, den Drachen auf der Insel Rhodos sein Wesen treiben zu lassen, und das, obwohl so viele tapfere Ritter untätig herumsitzen – und es ist undenkbar, daß er, ein Edelmann aus dem stolzen Geblüt der Gascogner den Lindwurm nicht herausforderte – er, der keinen Sarazenen fürchtete. Dieses Vieh ist nicht Gottes, sondern des Teufels! Der Edelmann hatte sich entschieden.
    Er schloß das Visier am Helm, warf den schwarzen Mantel mit dem weißen Achtkantkreuz über und faßte mit der Linken den Schild mit seinem Wappen.
    Das Laufen in der Panzerung gestaltete sich hinderlich, obwohl es nur leichte Rüstung war, die er trug. Zum Glück war es hier kühl. Als er den Steilhang zunächst einmal umging, öffnete sich jedoch das Tal vor ihm, und die mörderische Sonnenglut prasselte wieder voll auf ihn hernieder und begann die eiserne Ausrüstung zu erhitzen. Er mußte schon wieder das Visier lüften.
    Er blieb stehen.
    So, wie er jetzt verharrte, stieg rechts das andere, fast schwarze Felsmassiv auf, das steil ins Meer abfiel. Er selbst befand sich dicht bei dem ominösen Höhlenhügel. In halber Höhe einer Böschung klaffte das finstere Loch. Er gab sich einen Ruck und lief auf die Wand mit der Höhle zu. Der Moschusgeruch kam von dort und wurde, je mehr sich die Nase der Örtlichkeit näherte, zum Gestank. De Gozon zitterte und konnte diese Schwäche nicht unterdrücken. Er spürte heiße und kalte Schweißtropfen im Nacken. Die Schläge des Herzens hämmerten gegen den Brustpanzer. Nie hatte er so drastisch erfahren, was ihm bisher hauptsächlich als Redensart geläufig war: Die Beine wurden ihm schwer wie Blei. Mühsam klomm er die Böschung hinan, die Lanze aus Eschenholz benutzend. Der schwere, durchdringende Mief schien ihn ertränken zu wollen. Es war nicht nur die Atemnot. In dieser Art Gestank lag etwas Geheimnisvolles, etwas unmenschlich Grausames und Ferneliegendes – aus längst verlorenen Zeiten, als kein Mensch auf der Erde war, als nach des Allmächtigen Willen das Leben noch infernalisch und wild brodelte. Denn es gab noch niemanden, dem es schaden konnte.
    Deodat stand wie angewurzelt und schrie, seine ausgetrocknete Kehle vergewaltigend: »Du

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