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Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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Kraft. Er spürte, wie sie seine Muskeln anspannte und ihn dazu trieb, sich so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone zu begeben. Das einzige, was ihn zurückhielt, war ein Bild vor seinen Augen – die fließende, mondbeschienene Erinnerung an das Gesicht des Rastas.
    Ich kann ihn nicht einfach dort liegenlassen. Er braucht Hilfe. Und er braucht sie sofort.
    Zitternd machte Mark kehrt und folgte seinen Fußspuren zurück. Er stand über den Rasta gebeugt da und blickte in hilfloser Verwirrung in dieses heiligenähnliche Gesicht.
    Also, was soll ich jetzt tun? Er wurde in die Brust geschossen. Er wurde von einem Auto überfahren. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nichts mit Erster Hilfe zu tun gehabt. Ich bin auf diesem Gebiet ein vollkommener Idiot. Ich bin nicht einmal in der Lage, einen gottverdammten Verband anzulegen.
    Mark kauerte sich neben dem Rasta nieder. Er hatte nicht die blasseste Ahnung, wie er vorgehen sollte. Der Drang, aufzuspringen und wegzulaufen, wuchs in ihm, und er zwang ihn mit Gewalt nieder. Tu etwas! befahl er sich selbst. Statt dessen zögerte er weiter und haßte sich gleichzeitig, daß er so ängstlich war, so unfähig, so vollkommen außerstande zu handeln.
    Endlich zwang er sich mit aller Willenskraft dazu, die Hände unter den Rücken des Rastas zu schieben und den Mann aus dem Schlamm zu heben, in dem er versunken war. Der Rasta stöhnte, als Mark seine Brust anhob. Mark stöhnte ebenfalls, und dann krempelte er das blutgetränkte Bob-Marley-T-Shirt hoch, um die Schußwunden des Mannes zu untersuchen.
    Es waren drei, genau wie er es in Erinnerung hatte. Die Löcher lagen auf der linken Seite der Brust ungefähr übereinander, weit genug außerhalb der Mitte, um das Herz unversehrt zu lassen.
    Sein linker Lungenflügel muß in Fetzen gerissen sein. Ich weiß nicht genau – gibt es noch andere lebenswichtige Organe auf der linken Seite der menschlichen Brust? Vielleicht die Milz? Oder die Niere oder die Leber oder was?
    Die Augenlider des Rastas hoben sich langsam. Ernst blickte er in Marks Gesicht, begleitet von einem leisen, blubbernden Ton, und aus einem Mundwinkel troff eine Schaumspur mit blutigen Bläschen.
    Mark stand auf und blickte wild um sich. Die Lichtung war nicht sehr groß. Ringsum war sie von dichtem Dschungel umgeben.
    Irgendein Farmer oder sonst jemand mußte doch hier in der Gegend wohnen. Warum gäbe es sonst eine Straße? Vielleicht gibt es sogar jemand, der ein Telefon besitzt oder mir sagen kann, wie ich schnell eins erreiche.
    Er schritt den inneren Kreis der Lichtung ab. Gegenüber der Straße fand er den Anfang eines Pfads. Er machte vorsichtig ein paar Schritte auf dem Pfad, hielt sich die Hände gewölbt vor den Mund, sog soviel Luft in seine Lunge, wie sein schmerzender Brustkasten zuließ, und schrie, so laut er konnte: »Hilfe!« Es kam nur halb und so laut heraus, als er beabsichtigt hatte – als jämmerliches Krächzen. Seine Kehle war immer noch wie zugeschnürt, und nicht nur wegen des Schreckens, den er vor wenigen Minuten durchgemacht hatte, sondern auch wegen einer neuen Angst, der Angst, daß er durch seine Hilfeschreie jemanden noch viel Schlimmeres als Steven herbeirufen könnte.
    Jetzt fang nicht an, unter Verfolgungswahn zu leiden, ermahnte er sich selbst. Er holte erneut tief Luft und schrie noch einmal »Hilfe!« Diesmal klang seine Stimme sogar noch schwächer.
    Lange Zeit blieb er so still wie möglich stehen und lauschte auf Antwort. Er hörte das surrende Flügelschlagen eines Käfers im Flug, und einen Laut, der sich wie das Quaken eines Frosches anhörte. Moskitos schwirrten um einen Tümpel auf der einen Seite der Lichtung. Ansonsten herrschte Schweigen im Dschungel.
    Er versuchte es noch einmal, rief das gleiche Wort wieder und wieder, ging auf dem Pfad ein Stück weiter und schrie in alle Richtungen. »Hilfe! Jemand ist verletzt. Wir brauchen einen Arzt!« Jedesmal, wenn er seine Lungen mit Luft vollsog, wurde der Schmerz in seiner Rippengegend schlimmer. Bei jedem Ruf klang seine Stimme dünner und heiserer, und die dichte Dunkelheit um ihn herum weigerte sich zu antworten.
    Schließlich löste ein besonders tiefer Atemzug fast so etwas wie einen Erstickungsanfall aus. Statt weiter zu rufen, griff er mit beiden Händen nach unten, um sie wie eine Kompresse auf seine verletzten Rippen zu drücken. Als er jedoch die Stelle berührte, durchfuhr der Schmerz schrill seinen Körper, wie eine tödliche Folterqual, und seine Knie

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