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Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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umgebracht.«

    »Für ’nen bepißten Scheißhippie kapierst du ganz schön schnell.« Steven grinste höhnisch und richtete die Pistole auf Marks Kopf. »Vielleicht sollte ich mit dir auch aufräumen.«
    Ein Teil von Mark wollte sich umdrehen und wegrennen. Ein anderer Teil schäumte vor Wut.
    »Vielleicht solltest du das«, fauchte er. »Du beschissener, widerlicher Hurensohn.«
    Schneller als Mark es für möglich gehalten hätte, machte Steven einen Satz nach vorn und schlug ihm mit dem Pistolenlauf auf den Mund. Mark spürte, wie seine Lippe aufplatzte, ein Zahn zerschmettert wurde, ein spitzer, stechender Schmerz durch seinen Gaumen hinauffuhr und in der Stirn explodierte. Er stolperte zurück, beugte den Kopf tief nach unten und betastete sein Gesicht mit beiden Händen. Sie fühlten sich naß an. Benommen nahm er die Finger von seinem Mund und sah zu ihnen hinunter. Seine Hände waren blutverschmiert. Er hielt sie gewölbt auf, um das Blut aufzufangen, das immer noch aus seinen Lippen quoll und von seinem Bart tropfte.
    »Hinlegen, Pisser! Sofort!«
    Mit einem heftigen Pochen in der Mundgegend und Schwindel im Kopf sank Mark auf Hände und Knie nieder.
    »Ganz runter, Pisser – auf den Bauch!«
    Die Stimme klang in Marks Ohren metallisch und unwirklich. Er zögerte. Etwas traf ihn in der Seite und warf ihn mit dem Gesicht nach unten in den Schlamm.
    O mein Gott! Er hat auf mich geschossen! Er hat auf mich geschossen!
    »Okay, Pisser, bleib schön so liegen. So ist es brav. Schieb deine Arme unter deinen Körper und behalt sie dort.
    Und weißt du, was ich jetzt von dir will, Pisser? Jetzt pack nach unten und drück deine Eier, drück sie richtig fest, weil ich keine Hippies leiden kann, Pisser – ich hab’ Hippies noch nie leiden können, und schon gar keine alten Hippies –, und wenn du dich den Bruchteil eines Zentimeters bewegst oder auch nur heftig atmest, blas’ ich dir dein Scheißgehirn aus dem Kopf.«
    Marks Mund war gefühllos geworden, doch der Schmerz in seiner Seite war qualvoll. Er biß die Zähne aufeinander und versuchte stillzuliegen. Als er sich ganz auf diesen Schmerz konzentrierte, kam er zu dem Schluß, daß er nicht von einem Schuß herrührte, sondern von einem festen Fußtritt in die Rippen. Vielleicht waren eine oder zwei seiner Rippen gebrochen, doch er war nicht angeschossen. Noch nicht.
    »Laß dir mal was sagen, Pisser. Mit deinem zotteligen Haar siehst du aus wie ein verdammt verlaustes Tier. Wenn ich mir Tiere angucken will, dann geh’ ich in den Zoo – dafür brauch’ ich keine Scheißhippies.« Stevens Stimme überschlug sich und zischte vor Haß, wurde immer schriller. »Ich wette, du fickst deinen Hund von hinten, Pisser. Ich wette, du bohrst dir in der Nase und frißt es auf. Ich wette, du rollst deine Scheiße zu kleinen Kügelchen und spielst damit, oder? Oder? Oder?«
    Gott hilf mir, dachte Mark. Ein eisiger Schauder durchfuhr ihn, und mit Entsetzen begriff er vollkommen, was Steven tat. Es war für Steven verhältnismäßig leicht gewesen, den Rasta-Mann zu töten, denn ein Rasta war nur ein Jamaikaner, ein Schwarzer, ein Nigger – ein Nichts in der verzerrten Wertskala eines Mörders. Aber Mark wäre nicht so leicht umzubringen. Mark war Amerikaner, noch dazu ein weißer. Bevor Steven den Abzug betätigen konnte, mußte er sich selbst in eine psychische Raserei steigern, und das erreichte er dadurch, daß er seinem Opfer grobe Schweinereien an den Kopf warf.
    »Bitte, bitte … bring mich nicht um!«
    Mark sprach in einem heiseren, kläglichen Flüsterton. Die Angst hatte sich ihm auf die Stimmbänder gelegt.
    »Ich werde es niemandem verraten … ich verspreche es …«
    Er haßte sich selbst wegen seines Flehens. So sehr hatte er sich noch nie im Leben erniedrigt. Doch er konnte es nicht verhindern, daß er die Worte herauspiepste.
    »Bitte … ich will nicht sterben …«
    Er konnte nicht weitersprechen – sein Kinn hatte eine Sperre. Durch die zertrümmerten Zähne stieß er ein Schluchzen und Wimmern wie ein Baby aus. Unwillkürlich verkrampften sich seine Hände zu Krallen und bohrten sich tief in den Schlamm. Alle Muskeln seines Körpers zogen sich zusammen, strafften sich, bis er sich wie ein Stück Metall vorkam, das einen Belastungstest unterworfen war. Zu seiner Verwunderung merkte er, daß er vor Angst buchstäblich gelähmt war. Wenn die Spannung noch weiter anwuchs, würde seine Wirbelsäule ausrasten.
    Er hörte, wie Steven in sich

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