Die wahre Lehre - nach Mickymaus
hineinkicherte. Der kleine Metallmund der Pistole wurde fester gegen seinen Schädel gedrückt. Plötzlich ertönte ein lautes Summen im Innern seines Kopfs, schwoll immer mehr an, dröhnte in seinen Ohren, überdeckte Stevens dümmliches Lachen und ließ Mark in Dunkelheit versinken. Im letzten Moment erkannte sein Gehirn in dem schrumpfenden Guckloch seines Bewußtseins, was das Summen war – es war das gleiche Geräusch, das man hörte, wenn man zu schnell aus der Hocke aufstand und ohnmächtig wurde.
Irgendwo heulte ein Motor auf. Marks Sinne tauchten wirbelnd aus der Dunkelheit auf. Er vermutete, daß er nur kurze Zeit ohnmächtig gewesen war, zwanzig oder dreißig Sekunden, höchstens eine Minute lang. Stöhnend bemühte er sich, den Kopf zu heben und sich umzuschauen.
Durch den verschwommenen Widerschein des Mondlichts sah er, wie auf der anderen Seite der Lichtung der alte Plymoth rückwärts aus dem Farn fuhr. Steven saß auf dem Fahrersitz. Während er die alte Kiste wendete, rieb er sich die Stoppelhaare und grinste Mark höhnisch an.
»Viel Glück, wenn du das hier den Bullen von Kingston erklären mußt, Pisser.«
Mit dröhnendem Gelächter ließ er den Motor aufheulen und schoß mit dem Plymoth quer über die Lichtung, wobei er direkt über den Körper des Rasta-Mannes fuhr. Mark sah, wie der Seesack mit dem Marihuana auf dem Rücksitz auf und ab hüpfte. Er drehte den Kopf und blickte den Rücklichtern nach, die sich schlingernd und bebend auf der Straße außer Sichtweite entfernten.
Eine Zeitlang blieb er noch einfach so auf dem Bauch liegen, zu schwach, um aufzustehen. Endlich gelang es ihm mit aller Anstrengung, auf die Füße zu kommen, und mit leerem Blick starrte er in die Richtung, in der der Wagen verschwunden war.
Dieser Verbrecher. Bis ich bei der Polizei Anzeige erstattet habe, wird er längst außer Landes sein. Ich weiß nicht einmal, ob Steven sein richtiger Name ist. Es wird darauf hinauslaufen, daß man mir den Mord in die Schuhe schiebt, und das weiß er ganz genau.
Marks Oberlippe fühlte sich an, als ob sie zur Größe eins Golfballs angeschwollen wäre. Schmerzstöße schossen von seinen zerschmetterten Zähnen in die Nebenhöhlen hoch. Blut und Schlamm hatten seinen Bart verklebt. In seiner Rippengegend pochte ein schrecklicher Schmerz.
Sachte drehte er sich um und ließ den Blick über die Lichtung schweifen. Dort lag der Rasta-Mann, flach auf dem Rücken; sein Körper war teilweise im Schlamm versunken, wo ihn der Plymoth beim Überfahren niedergedrückt hatte.
Mark schleppte sich über die Lichtung und kniete neben dem Rasta nieder. Das Mondlicht erhellte das Gesicht des Schwarzen. Seine Züge waren gelassen, fast friedlich. Er glich einem liegenden Heiligen. Er hatte sich im Einklang mit sich selbst und der Welt befunden, als er starb, und es war noch zuwenig Zeit vergangen, als daß die Totenstarre seinen Mund zu einem hämischen Grinsen zurückgezogen hätte.
Mark beugte sich näher zu ihm. Er hatte den Eindruck, als ob sich die Lippen des Rastas öffneten. Die Härchen in seinen Nasenflügeln zitterten. Bildete Mark sich das nur ein, oder hob und senkte sich die Brust des Mannes tatsächlich, bewegte sie sich kaum wahrnehmbar in flachen Atemzügen auf und ab?
Du heilige Scheiße! Er lebt noch! Was soll ich jetzt machen?
Mark stand auf, überquerte die Lichtung und machte sich auf den Weg entlang der Straße, so schnell, wie die Schmerzen in seiner Seite es erlaubten. Beeil dich, ermahnte er sich selbst. Du mußt einen Arzt finden oder eine Krankenschwester oder irgend jemand, der dem armen Kerl helfen kann. Flink trugen ihn seine Beine auf der Straße dahin, immer weiter weg von dem Rasta.
Wem machst du eigentlich etwas vor? Du hast doch gar nicht die Absicht, Hilfe zu holen. Dir geht es doch nur darum, so schnell wie möglich den Berg hinunter und in dein Hotelzimmer zu kommen und deine Sachen zu packen und so blitzartig wie der Teufel aus Jamaika hinauszukommen, bevor irgend jemand dir Fragen stellt. Du rennst so, damit du nicht geschnappt wirst, genau wie Steven. Dort hinter dir liegt ein Mensch im Sterben, aber dir ist das gleichgültig. Du hast viel zuviel Angst, um dich noch länger hier aufzuhalten und ihm zu helfen. Steven hat recht. Du bist ein Pisser.
Er zwang sich mit aller Willensanstrengung zum Anhalten. Da stand er nun in der Dunkelheit und wußte nicht, was er tun sollte. Seine Beine zitterten. Die Feigheit in ihm wirkte wie eine physische
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