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Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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kreuzten etwa eine Woche herum und gelangten schließlich dorthin, wo einmal der Pazifische Ozean gewesen war. Nur gab es dort kein Wasser mehr, sondern nur noch die gesprungene Schwärze.
    Wir fuhren eine weitere Woche am Ufer entlang und erblickten endlich Leben. Einen Wal. Jakob kam sofort auf die Idee, einen zu schießen und sein Fleisch zu kosten.
    Er tötete ihn mit einem Hochleistungsgewehr, und er und sieben weitere Leute schnitten Stücke ab und nahmen das Fleisch mit, um es zu kochen. Sie luden uns zu der Mahlzeit ein, aber das Fleisch sah grünlich aus und enthielt kaum Blut, daher warnten wir sie davor. Jakob und die anderen aßen es dennoch. »So haben wir wenigstens etwas zu tun«, meinte Jakob.
    Etwas später erbrach Jakob Blut, seine Gedärme kochten ihm zum Mund heraus, und bald darauf ging es allen so, die von dem Fleisch gegessen hatten. Sie krochen wie ausgeweidete Hunde auf dem Bauch herum und starben. Wir konnten überhaupt nichts für sie tun. Wir konnten sie nicht einmal begraben, dazu war der Boden zu hart. Wir stapelten sie wie Klafterholz am Strand auf, verlegten unser Lager und versuchten, uns daran zu erinnern, was Mitleid ist.
    Und während wir in dieser Nacht schliefen, so gut es ging, kamen die Rosen.
    Ich muß zugeben, Tagebuch, daß ich nicht wirklich weiß, wovon die Rosen leben, aber ich habe eine Idee. Und da du dich bereit erklärt hast, meine Geschichte anzuhören – auch wenn du es nicht getan hast, bekommst du sie zu hören – werde ich Logik und Phantasie kombinieren und vielleicht damit die Wahrheit erraten.
    Die Rosen lebten unterirdisch im Bett des Ozeans und kamen nachts heraus. Bis dahin hatten sie als Parasiten von Reptilien und anderen Tieren gelebt, aber jetzt war aus der Unterwelt ein neues Futter heraufgekommen. Menschen. Eigentlich ihre Schöpfer. Wenn man es so sieht, könnte man sagen, daß wir sie erschufen und daß die Tatsache, daß sie sich an unserem Fleisch und Blut gütlich taten, nur eine neue Version von Brot und Wein war.
    Ich kann mir vorstellen, wie die pulsierenden Gehirne auf dicken Stengeln durch den Meeresboden dringen, gefiederte Fühler ausstrecken und im Licht des Mondes – der infolge der merkwürdigen Wolken wie eine mit Eiter gefüllte Beule aussieht – die Luft prüfen. Ich kann mir auch vorstellen, wie sie ihre Wurzeln herausziehen und ihre Ranken über den Boden zum Ufer schleppen, auf dem die Leichname liegen.
    Aus den dicken Ranken sprossen kleine, dornige Ranken, und diese schlängelten sich das Ufer hinauf und berührten die Leichen. Dann gruben sich die Dornen mit einer peitschenden Bewegung in das Fleisch, und die Ranken glitten wie Schlangen durch die Wunden in die Körper. Sie sonderten eine zersetzende Flüssigkeit ab, die die inneren Organe in wäßrigen Haferbrei verwandelte, und schlürften dann das Gemisch. Die Ranken wuchsen mit erstaunlicher Geschwindigkeit, bewegten und schlängelten sich durch die Körper, ersetzten Nerven, nahmen die Form der Muskeln an, die sie verschlungen hatten, stießen schließlich durch die Hälse in die Schädel vor, aßen Zungen und Augäpfel und saugten die mausgrauen Gehirne wie Schleimsuppe auf. Die Schädel explodierten wie Schrapnelle, die Rosen erblühten, ihre zahnharten Blütenblätter bildeten schöne rote und gelbe Blumen, und Stücke von menschlichen Köpfen baumelten von ihnen herab wie zerbrochene Melonenschalen.
    Im Zentrum dieser Blüten pulsierte ein frisches, schwarzes Gehirn, und die gefiederten Fühler tasteten die Luft neuerlich nach Nahrung und Brutgebieten ab. Energiewellen schossen von den Blumengehirnen durch die endlosen Meilen von Ranken innerhalb der Körper, und da sie Nerven, Muskeln und lebenswichtige Organe ersetzt hatten, stellten sie die Körper auf die Beine. Dann wandten die Leichen ihre Köpfe den Zelten zu, in denen wir schliefen, und die blühenden Kadaver machten sich auf den Weg, um diejenigen von uns, die noch übrig waren, ihrem Strauß einzuverleiben.
    Ich sah den ersten Rosenkopf, während ich pißte.
    Ich hatte das Zelt verlassen und war zum Ufer hinuntergegangen, um mich zu erleichtern, als ich ihn aus dem Augenwinkel erblickte. Die Blüte brachte mich zuerst auf die Idee, daß es sich um Susan Myers handelte. Sie trug eine dichte, wollige Afrofrisur, die ihren Kopf wie eine Löwenmähne umgab, und die Form des Dings erinnerte mich an ihre Gestalt. Doch als ich den Reißverschluß zuzog und mich umdrehte, war es keine Afrofrisur, sondern eine

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