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Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Die wahre Lehre - nach Mickymaus

Titel: Die wahre Lehre - nach Mickymaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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Blume, die aus Jacob wuchs. Ich erkannte ihn an seiner Kleidung und an dem Stück seines Gesichts, das an einem der Blütenblätter hing wie ein abgetragener Hut an einem Haken.
    Im Zentrum der blutroten Blume pulsierte ein Sack, und rings um ihn wanden sich wurmartige Organe. Genau unterhalb des Gehirns befand sich ein kleiner Rüssel. Er streckte sich mir entgegen wie ein erigierter Penis. An seiner Spitze, in der Öffnung, erblickte ich große Dornen.
    Der Rüssel gab ein stöhnendes Geräusch von sich, und ich stolperte zurück. Jacobs Körper erschauerte kurz, als wäre ihm plötzlich kalt, und dann brach durch sein Fleisch und seine Kleidung vom Hals bis zu den Füßen eine Masse von bis zu anderthalb Meter langen dornigen, schwankenden Ranken.
    Mit einer beinahe unsichtbaren Bewegung schlenkerten sie von Westen nach Osten, zerfetzten meine Kleidung, rissen mir die Haut auf, zogen mir die Beine unter dem Körper weg. Es war wie ein Schlag mit der neunschwänzigen Katze. Benommen richtete ich mich auf Hände und Knie auf und kroch davon. Die Ranken peitschten meinen Rücken und meinen Hintern und schnitten tief ein.
    Jedesmal, wenn ich auf die Füße kam, brachten sie mich zu Fall. Die Dornen schnitten nicht nur, sie brannten wie heiße Eiszapfen. Ich riß mich endlich von einem Netz von Ranken los, durchschnitt den letzten Schößling und rannte davon.
    Ohne es zu merken, lief ich zum Zelt zurück. Mein Körper fühlte sich an, als hätte ich auf einem Bett aus Nägeln und Rasierklingen gelegen. Ich hatte mit dem Unterarm die Dornen abgewehrt, und er schmerzte an dieser Stelle entsetzlich. Während ich lief, warf ich einen Blick auf ihn. Er war mit Blut bedeckt. Eine etwa sechzig Zentimeter lange Ranke wand sich wie eine Viper um ihn. Ein Dorn hatte eine tiefe Wunde in meinen Arm gerissen, und die Ranke schob eines ihrer Enden in die Wunde.
    Ich hielt mir schreiend den Unterarm vors Gesicht, als hätte ich ihn eben erst entdeckt. Wo die Ranke eingedrungen war, kräuselte sich das Fleisch und schwoll an wie die bevorzugte Ader eines Rauschgiftsüchtigen. Der Schmerz war überwältigend. Ich zerrte an der Ranke und riß sie los. Die Dornen hatten sich wie Angelhaken in mich gegraben.
    Der Schmerz war so fürchterlich, daß ich auf die Knie fiel, aber ich hatte die Ranke aus meinem Körper entfernt. Sie wand sich in meiner Hand, und ein Dorn drang mir in die Handfläche. Ich warf die Ranke in die Dunkelheit. Dann kam ich hoch und lief wieder zum Zelt.
    Die Rosen waren offenbar bereits eine Zeitlang, bevor ich Jacob erblickte, am Werk gewesen, denn als ich schreiend in das Lager stürzte, erblickte ich Susan, Ralph, Casey und noch einige, deren Köpfe bereits blühten und deren Schädel zerfielen wie zerbrochenes Kinderspielzeug.
    Jane Calloway stand vor einem von den Rosen durchwucherten Körper; die Leiche hatte ihr die Hände auf die Schultern gelegt, die Ranken schossen aus dem Leichnam hervor, webten ein Netz um sie, rissen, glitten in sie und brachen ab. Der Rüssel drang ihr in den Mund, von dort in den Hals und drückte ihren Kopf nach hinten. Aus dem Schrei, zu dem sie angesetzt hatte, wurde ein Gurgeln.
    Ich versuchte, ihr zu helfen, aber als ich in ihre Nähe kam, schlugen die Ranken nach mir, und ich mußte zurückspringen. Ich sah mich nach etwas um, womit ich nach dem verdammten Ding schlagen konnte, fand aber nichts. Als ich mich Jane wieder zuwandte, drangen schon Ranken aus ihren Augen, und ihre Zunge, die nur noch lavadickes Blut war, tropfte aus ihrem Mund auf ihre Brüste, die wie ihr gesamter Körper mit stechenden Ranken bedeckt waren.

    Ich lief davon. Ich konnte nichts für Jane tun. Ich sah andere Menschen, die von den Händen der Leichen und von den Ranken umklammert wurden, aber jetzt dachte ich nur noch an Mary. Unser Zelt stand im hinteren Teil des Lagers, und ich lief, so schnell ich konnte, dorthin.
    In dem Augenblick, in dem ich anlangte, stolperte sie aus dem Zelt heraus. Die Schreie der anderen hatten sie geweckt. Sie sah mich und erstarrte. Als ich sie endlich erreichte, kamen zwei von Ranken besessene Körper von der anderen Seite auf das Zelt zu. Ich faßte Mary an der Hand und zog sie fort. Wir erreichten eines der Fahrzeuge, und ich schob sie hinein.
    In dem Augenblick, in dem ich die Türen versperrte, erschienen Jacob, Susan, Jane und noch einige vor dem Wagen und beugten sich über den Kühler. Die Fühler und die Gehirnsäcke vibrierten wie Banner bei starkem Wind. Hände

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