Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
ankam, war er reichlich verkatert. Drei Schmerztabletten zum Frühstück hatten gegen seine Kopfschmerzen nichts ausrichten können. Den bloßen Gedanken an etwas zu essen konnte er nicht ertragen. Seine Kleidung klebte von Schweiß durchnäßt an seinem Körper, und japsend kam er über eine Viertelstunde verspätet ins Besprechungszimmer gestürzt. Silje Sørensen hielt sich die Nase zu, als er sich über sie beugte, um die von Annmari Skar ausgelegten Unterlagen an sich zu nehmen.
»Ich hoffe ja, du bist nicht mit dem Auto gekommen.«
Er murmelte etwas Unverständliches und steckte sich ein Pfefferminzbonbon in den Mund, dann zwängte er sich mit angehaltenem Atem hinter vier der Anwesenden hindurch. Er lächelte den Polizeichef hilflos an und ließ sich am Tischende nieder. Håkon war der einzige Staatsanwalt hier im Raum. Zum Ausgleich hatten, zusätzlich zu Annmari, noch zwei weitere Polizeijuristen ihren Weihnachtsurlaub unterbrochen. Der Abteilungsleiter der Sektion für Gewaltverbrechen saß neben dem Kriminalchef und zwei Hauptkommissaren, während Hanne sich wie immer ganz hinten niedergelassen hatte. Sie klopfte ihm unter dem Tisch auf den Oberschenkel.
»Das war nett gestern«, flüsterte er. »Tut mir leid, daß ich …«
Hanne lächelte und hielt ihren Zeigefinger an den Mund.
»Ich kann ja mal kurz zusammenfassen, was wir bisher besprochen haben«, sagte Annmari langsam. »Da nicht alle pünktlich erscheinen konnten.«
»Es tut mir wirklich leid«, sagte Håkon, diesmal lauter. »Die Kinder waren einfach unmöglich und wollten mich partout nicht weglassen.«
Irgendwer kicherte, und Håkon polierte eifrig an seiner Brille herum.
»Wir sind also der Meinung, daß wir triftige Gründe haben, um Carl-Christian Stahlberg des Mordes an Hermann, Turid und Preben Stahlberg zu verdächtigen«, sagte Annmari. »Heute nacht habe ich versucht …«
»Heute nacht«, fiel Silje ihr ins Wort, »hast du die ganze Nacht hier gesessen?«
»Irgendwer muß den Job doch erledigen«, sagte Annmari knapp und ohne einen Hauch von Selbstmitleid. »Weihnachten hin oder her. Wir sitzen vor einem ungeheuren Materialhaufen, das wißt ihr ja alle. Wir haben bisher über hundertzwanzig Zeugenvernehmungen durchgeführt. Die allermeisten davon sind wertlos. Wir haben allerlei technische Funde, aber besonders viele davon sind noch nicht systematisiert. Die DNA -Analysen liegen noch nicht vor. Wir müssen auch in der Wohnung noch etliche Untersuchungen vornehmen. Sie ist groß, voller Gegenstände, und wir haben es ja trotz allem mit vier Opfern zu tun. Und dieser Hund … wir wissen jetzt, daß es sich um einen Hund handelt. Vermutlich um eine Promenadenmischung. Das erschwert unsere Arbeit, um es mal harmlos auszudrücken. Ich finde aber trotzdem, daß …«
Sie lächelte kurz, fast verlegen und trank einen Schluck Wasser aus einem Plastikbecher.
»… wir in dieser einen Woche wirklich viel erreicht haben. Die Ehre dafür gebührt euch allen. Mir ist ja klar, daß es nicht besonders gut ankommt, euch an einem Tag wie heute von Familienfesten und Weihnachtsfeiern wegzuholen, aber gemeinsam mit dem Polizeichef«, sie nickte in seine Richtung hinüber, »bin ich zu dem Schluß gekommen, daß wir nicht sehr viel länger warten können. Jedenfalls, wenn Staatsanwalt Sand mir zustimmt.«
Håkon fuhr hoch, als er seinen Namen hörte, als sei ihm erst jetzt aufgegangen, daß das Gesprächsthema auch ihn betraf. Der Kaffee, den er geschlürft hatte, um seine Fahne zu neutralisieren, brannte ihm in der Kehle. Er schluckte laut, sagte aber nichts.
»Ich greife hier vielleicht ein wenig vor«, sagte Kriminalchef Puntvold und fuhr sich mit der Hand durch die noch feuchten Haare. »Aber nach dem Gespräch, das ich gestern abend mit Annmari Skar geführt habe, möchte ich doch bereits jetzt klarstellen, daß wir in diesem Fall schon viel weiter gekommen sind, als wir uns am Donnerstag hätten träumen lassen können. Ich möchte mich ihrem Lob für euch alle anschließen. Wir werden bereits heute nachmittag zur Festnahme schreiten, und es macht mich …«
»Ich will ja nicht unhöflich sein«, fiel Annmari ihm ins Wort. »Aber wäre es nicht eine gute Idee, die Sache in einer Art Reihenfolge durchzugehen?«
Puntvold lächelte breit und ließ sich im Sessel zurücksinken.
»Natürlich«, sagte er. »Wie gesagt, ich habe der Sache vorgegriffen. Also weiter.«
»Dann schlage ich folgende Vorgehensweise vor«, sagte Annmari.
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