Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Sweatshirt und knallgrüne Trainingshose. Er füllte ein Glas mit Cola und sagte dabei:
»Ich dachte, es stehe außer Frage, daß Norne Norway Hermann gehört?«
»Das schon. Aber als Papa Stahlberg vor einem Jahr alles für eine Aktienüberschreibung vorbereitet hatte, durch die Preben alle Macht gewonnen hätte, schlug Carl-Christian zu. Er bestritt ganz einfach, daß das möglich sei, aufgrund der Absprachen, die er mit seinem Vater getroffen zu haben meinte.«
»Klingt ja nicht gerade wie ein starkes Argument«, sagte Silje skeptisch.
»Nein. Und vielleicht wollte Carl-Christian deshalb mit unechten Dokumenten ein wenig nachhelfen.«
»Wir wissen nicht, ob er derjenige war, der sie gefälscht hat«, sagte Hanne.
Annmari seufzte resigniert.
»Nein, Hanne. Natürlich wissen wir das nicht. Aber es ist doch überaus unwahrscheinlich, daß irgendwer sonst auch nur das geringste Interesse daran gehabt haben könnte, ein solches Dokument zu fälschen, findest du nicht?«
Ihre Stimme war schrill, fast schon ein Falsett, und Hanne hob zum Zeichen der Kapitulation die Handflächen.
»Wir haben um eine graphologische Untersuchung weiterer Dokumente gebeten, aber es dauert noch, bis die Ergebnisse vorliegen. Alles in allem aber, wie es aus den Unterlagen hervorgeht, hatte Carl-Christian starke Motive, um in dem aktuellen Streitfall seinen Eltern und eben auch seinem Bruder den Tod zu wünschen. Das junge Ehepaar schwebte in der Gefahr, alles zu verlieren, was es überhaupt hatte. Wohnung und Ferienhäuser, Auto und andere Besitztümer sind mit großen Krediten belastet. Offenbar weil sie davon ausgingen, in Zukunft auch über große Geldmittel zu verfügen. Aber dabei machte ihnen das Testament einen Strich durch die Rechnung.«
Einige fingen an zu blättern.
»Das liegt hier nicht bei. Aber wir alle kennen doch den Inhalt. Es wurde vor drei Monaten verfaßt und hat Carl-Christian mehr oder weniger enterbt.«
»Nicht besonders clever, seinen Alten dann gleich abzumurksen«, sagte Erik und raschelte mit Butterbrotpapier.
»Nein. Das ist eine Schwäche in unserer Argumentation, gegen die wir nur vorbringen können, daß Carl-Christian das Testament nicht kannte. Was übrigens sehr wahrscheinlich ist. Vater und Sohn haben seit neun Monaten nur noch über ihre Anwälte miteinander korrespondiert. Es gibt keine Kopie des Testaments, unseres Wissens nach wenigstens nicht. Jennifer, Prebens Witwe, wußte lediglich, daß im Osloer Nachlaßgericht ein Testament lag, aber sie hatte keine Ahnung von dessen Inhalt und wußte auch nicht, wann es verfaßt worden war.«
»Behauptet sie«, sagte Hanne.
Annmari richtete ihren Blick kurz zur Decke.
»Wir wollen Jennifer Calvin hier und jetzt natürlich nicht freisprechen, Hanne. So, wie die Dinge nun einmal liegen, sieht es aus, als sei ihr ältester Sohn der einzige, der von diesem Verbrechen wirklich profitiert. Andererseits hat der Junge seinen Vater verloren, und das auf brutale Weise. Was einen nicht unbedeutenden Verlust bedeutet. So würden das jedenfalls die allermeisten von uns sehen. Oder?«
Sie ließ ihren Blick zu Hanne weiterwandern und ließ ihn schließlich auf der Kommissarin ruhen. Hanne gab keine Antwort, nickte nicht, zuckte nicht mit der Wimper.
»Außerdem«, sagte Annmari dann, »weist bisher nichts darauf hin, daß Jennifer ihren Mann loswerden wollte. Silje und ich haben uns ziemlich gründlich mit der Dame beschäftigt und sind beide der Ansicht, daß eine Frau in ihrer Lage, mit ihrem dünnen und äußerst selektiven Netzwerk an persönlichen Kontakten, wohl kaum imstande wäre, eine solche Tat zu planen oder ausführen zu lassen. Einverstanden? Bisher jedenfalls?«
Hanne zuckte gleichgültig mit den Schultern.
»Dann haben wir natürlich Carl-Christians Waffenkenntnisse. Er besitzt einen Waffenschein für grobkalibrige Revolver und ist ein allerdings nicht aktives Mitglied in einem Schützenclub. Mit anderen Worten, er kann mit Handfeuerwaffen umgehen.«
Annmari sah in die Runde. Die anderen ließen sich der Reihe nach in ihren Sesseln zurücksinken. Niemand sah noch einen Grund, sich Notizen zu machen, kaum jemand machte sich die Mühe, in den Unterlagen zu blättern, die sie am frühen Morgen zusammengestellt hatte.
Alle stimmten ihr offenbar zu: Es bestand ein triftiger Grund zum Verdacht.
»Und die Alibis sind ganz einfach zum Totlachen«, endete sie. »Carl-Christian und Mabelle behaupten, wie ihr alle wißt, daß sie zu Hause waren.
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