Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Allein, was aber niemand bestätigen kann. Summa summarum …«
Sie versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken. Ihr traten Tränen in die Augen, und sie schüttelte wütend den Kopf, um sich wachzuhalten.
»Ich finde, daß wir genug gute Gründe für eine Festnahme haben. Und dann kommen wir auch in den Ermittlungen weiter, zum Beispiel, weil wir eine Hausdurchsuchung vornehmen können. Die Frage ist nur, ob wir es für beide versuchen sollen oder nur für Carl-Christian.«
»Beide«, sagten Silje und Erik wie aus einem Munde, gefolgt von Nicken und beifälligem Gemurmel fast am ganzen Tisch.
Nur Hanne saß ganz still da. Sie hatte die Augen halb geschlossen, und ihr Gesicht war ausdruckslos. Nicht einmal, als die Diskussion jetzt weiterging, formlos und ziemlich laut, sagte sie etwas. Das schien niemandem aufzufallen, bis Annmari plötzlich rief:
»Weißt du, Hanne, ab und zu bist du wirklich schwierig. Was überlegst du dir da eigentlich? Mußt du wirklich immer die Geheimnisvolle spielen? Hältst du uns andere alle für Trolle, oder gibt es einen Grund, ein Gesicht zu machen, als wüßtest du ganz genau, was am vergangenen Donnerstag unten in der Eckersbergs gate passiert ist, wolltest dieses Wissen aber nicht mit uns teilen?«
Hanne lächelte schwach und zuckte noch einmal mit den Schultern.
»Nicht doch«, sagte sie gleichgültig. »Ich weiß nicht, was passiert ist. Wir wissen alle nicht, was an dem Abend dort passiert ist.«
»Aber was ist dann los mit dir?«
Annmari schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Der Polizeichef fuhr zu ihr herum.
»Laß uns doch bitte Ruhe bewahren«, sagte er. »Ich kann ja verstehen, daß du müde bist, Annmari. Aber es besteht kein Grund dazu, hier in einen solchen Tonfall zu verfallen. Heftig wird es noch früh genug, wenn diese Leute«, er tippte mit dem Zeigefinger auf die Unterlagen, »sich Anwälte zulegen. Dann geht es garantiert hoch her. Wir sollten unsere Energien sparen, bis wir uns mit denen auseinandersetzen müssen, findet ihr nicht?«
»Nein«, sagte Annmari hart. »Jetzt möchte ich ausnahmsweise mal kein Blatt vor den Mund nehmen. Hanne Wilhelmsen, sieh mich an. Sieh mich an, sage ich!«
Hanne hob träge den Blick.
»Teil mit uns«, sagte Annmari. »Teil deine Gedanken mit uns.«
Ihre Stimme klang nicht mehr aggressiv. Statt dessen hatte ihre ganze Gestalt jetzt etwas Resigniertes, fast Trauriges an sich; sie hob die Schultern und neigte den Kopf.
»Wenn Hanne Wilhelmsen nicht an der Diskussion teilnehmen will, dann sehe ich wirklich keinen Grund, sie zu nötigen«, sagte Jens Puntvold. »Uns geht es streng genommen ja wohl eher darum, die Ermittlungslinien zu verfolgen, die du hier skizziert hast, Skar.«
»Ich will einfach hören, wie Hanne das sieht«, sagte Annmari. »Wirklich nur das.«
Jetzt flüsterte sie fast und ließ sich dann auf ihren Stuhl fallen.
Hanne kratzte sich ausgiebig mit dem Daumen an der Wange. Sie schien noch immer kein Wort sagen zu wollen. Sie saß zurückgelehnt und gleichgültig in ihrem Sessel und bewegte den Kopf heftig hin und her, als sei ihr steifer Nacken viel wichtiger als Annmaris überraschender Ausbruch.
»Hanne«, sagte Håkon Sand leise. »Vielleicht solltest du …«
Er stieß sein Knie gegen ihres. Plötzlich riß sie sich zusammen.
»Es tut mir leid, wenn ich abweisend wirke«, sagte sie und starrte Annmari an. »Das wollte ich wirklich nicht. Ich bin konzentriert, im Grunde schon. Und ich würde gern mit euch meine Gedanken teilen, aber sie sind … eher von allgemeinem Charakter, und vermutlich ist das hier weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt …«
»Das wollen wir dir gern glauben«, fiel Puntvold ihr ins Wort. »Also weiter, Skar.«
»Wir nehmen uns diese Zeit«, sagte der Polizeichef mit scharfer Stimme. »Wenn Skar deine Betrachtungen in ihre weitere Arbeit einfließen lassen will, dann muß sie diese Möglichkeit haben. Also los, Wilhelmsen.«
Hanne zuckte mit den Schultern und zwängte sich zum Overhead durch. Dort nahm sie eine leere Folie und schrieb die Buchstaben von A bis E darauf.
»So wie hier denken wir alle«, sagte sie und tippte mit einem Filzstift die Stelle unter dem B an. »Wenn B auf A folgt, C auf B und D auf C, dann gehen wir davon aus, daß als nächster Buchstabe ein E kommt. Das ist grundlegende, banale Logik. Ganz einfach, denn wenn uns die Buchstaben A, B, C und D vorgeführt werden, nehmen wir an, daß wir es mit dem Anfang des Alphabets zu tun
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