Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
seinem Haus haben.
Kurz nach der Abreise der Treuhänder erreichte ihn ein steif formuliertes und servil anmutendes Schreiben der Sheldrakes. Darin baten sie um die Erlaubnis, ihm morgen einen Besuch abzustatten, um sich persönlich bei ihm für seine Beileidsbekundungen zu bedanken. Es fehlte nicht viel, und Phin hätte ihnen geschrieben, sie mögen um Himmels willen ihm und seinem Haus fernbleiben. Mein Haus ist Ihrer nicht würdig; bitte setzen Sie sich nicht dem beklagenswerten Durcheinander aus, das hier regiert . Es stand natürlich außer Frage, dass er sie einlud, denn so ziemte es sich nun einmal in seinen Kreisen. Die beiden Frauen würden eine Ablehnung als Beleidigung und seine Großzügigkeit als Herablassung auslegen.
Am frühen Nachmittag erreichte ihn eine Nachricht von Sanburne, der ihn in den Club einlud, vermutlich um ein verspätetes Mittagessen einzunehmen. Als Phin dort eintraf, geleitete ihn der Majordomus am Speisezimmer vorbei den Korridor entlang zum Schießstand, wo Sanburne sich auf einer Bank lümmelte, neben ihm eine Flasche und Ohrenstöpsel. Den Blick hielt er auf einen dünnen blonden Mann gerichtet, der auf den Umriss eines Menschen zielte, der auf die Wand gemalt war. Ein Schuss fiel. Die Kugel schlug gut dreißig Zentimeter neben der Silhouette ein, was entweder auf Kurzsichtigkeit oder Nervosität des Schützen schließen ließ.
»Verteufelt noch mal«, fluchte der Blonde, als er sich umdrehte. Nein, er war weder kurzsichtig noch nervös, sondern einfach nur ein Taugenichts. Phin kannte Tilney noch aus seiner Zeit in Eton, und allem Anschein nach hatte er sich nicht zu seinem Vorteil verändert. Genau wie früher war er noch immer hübscher als so manches Mädchen, und er hatte genauso wenig ein Händchen für Schusswaffen wie für Wetten oder Alkohol. Die Gesellschaft, in der Sanburne sich dieser Tage aufhielt, war recht zweifelhaft.
Als der Schütze Phin erblickte, breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus. »Hey, Granville, alter Bursche. Du hast mich gerade fünf Pfund gekostet.«
»Ah«, antwortete Sanburne, der das Kinn zum Gruß nach vorne streckte. »Stimmt. Er meinte, du würdest dich unter keinen Umständen von deinen heiß geliebten Karten trennen, um uns mit deiner Anwesenheit zu beehren.«
»Ich bin immer für eine Überraschung gut«, erwiderte Phin.
Tilney hob die Waffe. »Es ist das neueste Modell von Webley. Lust auf einen Schuss?«
Phin schaute zu Sanburne, der mit den Achseln zuckte. »Ich hatte schon das Vergnügen.«
»Viel Spaß«, sagte Tilney, als er Phin die Waffe im Drei-Finger-Griff hinhielt – eine verdammt dumme Art, eine geladene Waffe zu handhaben. »Schade, dass du nach dem Derby nicht vorbeigekommen bist. Wir hatten noch ziemlich viel Spaß.«
Der Revolver schmiegte sich in Phins Handfläche. Gute Balance, angenehmes Gewicht. »Ich war beschäftigt.«
Tilneys Lächeln wirkte mit einem Mal angestrengt. »Ja, nun, das hat mir zu denken gegeben. Ich hoffe, du nimmst mir die Sache mit den vollgepinkelten Kissen nicht mehr krumm. Ich hab den Burschen gesagt, du bist kein Ire, aber du weißt ja, wie Jungs so sind.«
»Oje, dritte Person«, warf Sanburne belustigt ein. »Das ist Jahrzehnte her.«
Phin wog das Gewicht der Waffe in seiner Hand. »Schnee von gestern«, sagte er lächelnd. »Solange du mir nicht mehr schmollst, weil ich dich in die Latrine geschubst habe. Und dich verprügelt habe«, schob er gedankenverloren nach. Sein Blick glitt auf die Zielfigur an der Wand, und er runzelte die Stirn. »Ich hoffe, deine Augen haben sich wieder erholt. Irgendwie habe ich immer vergessen, mich danach zu erkundigen.«
Tilney beäugte die Waffe nun mit etwas mehr Unbehagen. »Alles bestens.« Er räusperte sich. »Ein ziemlicher Aufstieg, den du da hingelegt hast, Granville.«
»Ich heiße jetzt Ashmore.« Phin brachte die Waffe in Position und zielte. Der Schuss zerriss die Luft. Im Grunde taten sie sich keinen Gefallen damit, auf den Gehörschutz zu verzichten. »Und ja«, sagte er, als er den Arm sinken ließ, »ich habe es ziemlich genossen.«
Sanburne applaudierte. »Direkt ins Auge. Das muss gefeiert werden.«
Wie aus dem Nichts überkam Phin ein höchst irreales Gefühl. »Warum eigentlich nicht? Es tut gut zu wissen, wie leicht ich euch beide um die Ecke bringen könnte.«
»Ich muss euch leider einen Korb geben«, sagte Tilney. »Ich habe noch eine Verabredung.«
Wenig später saßen Ashmore und Sanburne im Speiseraum, wo
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