Die Wahrheit deiner Berührung (German Edition)
ohnehin auf keine Kuhhaut mehr.« Es stimmte: Sanburne war so eine Art gesellschaftlicher Midas: Selbst seine Fauxpas wirkten sich für ihn meist zum Guten aus, und wann immer er ins Straucheln geriet, landete er weich. »Auf Wiedersehen, Viscount.«
Als Phin sich entfernte, lachte Sanburne abermals lauthals los und ließ seiner Heiterkeit so derbe freien Lauf, dass die Herrschaften an den anderen Tischen vor Neugierde die Hälse reckten.
Obwohl er es eigentlich nicht wollte, drehte Phin sich noch einmal um. »Drehst du jetzt komplett durch?«, raunte er. Falls ja, wäre es typisch für Sanburne. Weshalb dem Wahnsinn im stillen Kämmerlein frönen, wenn man das doch in aller Öffentlichkeit tun konnte?
Mit einer wegwerfenden Handbewegung verwarf Sanburne diesen Gedanken. »Phin«, japste er, »du bist immer für eine Überraschung gut, alter Kumpel.« Keuchend holte er Luft. »Immerhin weiß ich, dass es zwei Wege gibt, die ich beide einsehen kann. Und du? Du sagst dir ständig, du hättest die Wahl, aber du musst die Scheuklappen tragen, um sicher zu sein, dass du geradeaus gehst.«
Nun denn, dann würden sie diesen Kampf eben doch ausfechten. Seit Wochen schon brodelte es zwischen ihnen beiden. Bei jedem Lächeln, das Sanburne ihm angedeihen ließ, und wann immer Phin einen Drink ausschlug oder eine Festivität verließ, ehe die Ersten sich übergaben. Kampfeslustig ging er zurück zum Tisch. »Raus mit der Sprache«, sagte er. »Kann es sein, dass es dir nicht passt, dass ich mich nicht deiner Führung anschließe? Sondern meine neue Verantwortung sehr ernst nehme?«
In einer großtuerischen Geste hob Sanburne die Arme. »Wenn es dir Spaß macht, so rechtschaffen daherzureden, ist ja alles in Ordnung. Die Frage ist nur, wen zum Teufel du damit beeindrucken willst.« Er ließ die Arme fallen und atmete aus. »Ob du des Nachts durchschläfst oder nicht, interessiert die Welt nicht. Trinken oder nicht trinken, das ist einerlei. Du wirst nie wie dein Vater werden.«
Phin sog harsch die Luft ein. Vor dir sitzt dein Freund, rief er sich in Erinnerung. Da muss man kein Blatt vor den Mund nehmen, da ist die schonungslose Wahrheit angebracht. Doch er wusste auch, dass er dafür würde bezahlen müssen. Niemand sollte mit Dynamit um sich werfen, nur weil er sich an den Explosionen weidete. »Du denkst, du kennst mich«, sagte er. Doch Sanburne hatte keinen blassen Schimmer, wohin manche Straßen führen konnten. »Genau da liegt dein Irrtum.«
Sanburne zuckte die Achseln. »Ich kenne dich gut, vielleicht besser als du dich selbst. Du siehst dich gern als schmutzig, als verderbt, kann das sein? Als kranken Spross einer fauligen Sippe. Und in der Zwischenzeit hast du zukünftige Earls in Schweinetröge befördert, ohne zu merken, dass es spritzt. Ich weiß, dass du dachtest, die Jungs würden über dich spotten, nachdem du ihnen den Rücken zugewandt hattest. Kann sein, dass sie das anfangs auch getan haben. Aber sie haben schnell dazugelernt. Selbst als Kinder hatten sie ein klareres Bild von dir als du.«
Phin starrte ihn an. »Worauf willst du eigentlich hinaus?«
Der Viscount stieß einen ungeduldig klingenden Ton aus. »Darauf, dass du immer mehr warst als ein Kartograf. Der Titel, den du jetzt trägst, beweist es einmal mehr. Der Einzige, der nicht davon überzeugt ist, bist du.«
»Ach ja, der Titel«, sagte Phin tonlos. Die Lizenz zum Leben, aber eher im übertragenen Sinne, den Sanburne nicht recht verstand. Trinken und Orgien waren nicht alles im Leben. »Das ändert alles, nicht wahr, alter Freund?«
Sanburne seufzte. »Natürlich nicht. Das ist ja der springende Punkt. Du bist du. Und im Gegensatz zu dir war es für mich nie ein Problem.«
Es kostete Phin einiges an Überwindung, ein Lächeln aufzusetzen. »Nimm es mir nicht übel, wenn ich nicht dem Urteil eines Mannes vertraue, dessen Maßstäbe notorisch niedrig sind.« Als Sanburne den Schockierten mimte, machte Phin auf dem Absatz kehrt und verließ den Club.
Als Phin am Nachmittag auf dem Weg zu seinen Zimmern an Miss Masters Suite vorbeiging, hörte er, wie an der Türklinke gerüttelt wurde, wenn auch nur sacht.
»Hat sie versucht, nach draußen zu gelangen?«, fragte er Gompers, der die Tür bewachte.
Der Diener zuckte die Achseln. »So ungefähr jede Stunde, Sir.«
Das Rütteln hörte auf, vermutlich weil Miss Masters ihre Stimmen gehört hatte.
Phin atmete aus. Dieses leise Geräusch hatte auf eine Weise auch an seinem Gewissen
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