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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Zigarettenetui hin, aber als sie den Kopf schüttelt, nimmt auch er sich keine weitere Zigarette.
    »Er war furchtbar enttäuscht, Magnus.«
    »Ich habe ihm geschrieben.«
    Sie sieht ihn überrascht an. »Davon hat er mir nichts gesagt.«
    »Es spielt auch keine Rolle. Er ist ein Narr. Ein idealistischer Narr. Man soll nicht die Kriege anderer führen wollen. Die eigenen Schlachten sind mehr als genug für einen Mann.«
    Ihr Blick wird durchdringender, und auch ihre Stimme hat plötzlich eine ganz andere Intensität: »Ich kann nicht aufhören, daran zu denken, dass unser kleiner Mads da unten mitten im Krieg ist. Er ist so krank gewesen, Magnus. Wie ich dir bereits geschrieben habe, hat er Typhus gehabt. Ich glaube, er ist inzwischen wieder gesund. Vor einer Woche kam wieder ein Brief von ihm. Er muss an die Front zurück. Unser kleiner Mads! Zurück an die Front? Das geht doch nicht. Du musst ihn nach Hause zurückholen, ob er will oder nicht. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass er sterben könnte.«
    Es ist eine lange Rede, und er sieht, wie ihr wieder dieTränen in die Augen steigen. »Beruhige dich, Schwesterherz. Es wird schon alles gut gehen.«
    »Nein. Das wird es nicht. Bitte hol ihn nach Hause zurück. Du bist doch so viel in der Welt herumgekommen. Du bist der Einzige, der es schaffen kann. Du bist stark und mutig. Ich werde Angst um dich haben, aber nicht diese alles verschlingende Angst. Du kannst es schaffen. Bitte sorge dafür, dass unser kleiner Bruder wieder nach Hause kommt. Ja, Magnus?« Sie ergreift seine Hände, und es ist ihr gleichgültig, dass alle sie anschauen.
    Er blickt in ihre grünen Augen. Er hat sich doch längst entschieden, also warum sagt er es ihr nicht einfach? Magnus behält seine Gefühle, Gedanken und Pläne instinktiv für sich. Nur so kann man überleben. Stattdessen sagt er: »Ich habe einen von Droschken-Kurts Wagen gemietet. Fahr mit mir zusammen zurück, dann können wir in Ruhe darüber reden.«
    »Das kann ich doch nicht machen. Ich bin für die Patienten verantwortlich. Ich muss mit ihnen zusammen im Patientenbus zurückfahren. Hör bitte zu, was ich sage, Magnus. Kannst du mir, Herrgott noch mal, nicht einfach versprechen, dass du ihn zurückholst? Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass er da unten ist, dass er möglicherweise schon tot ist, während du und ich hier in der Sonne stehen.«
    »Ich werde es tun. Ich werde nach Spanien reisen und ihn fragen, ob er mit zurückwill. Aber was, wenn er nicht will?«, sagt er und ist überrascht von der Endgültigkeit seiner Aussage.
    Sie wischt sich die Tränen ab und lacht: »Natürlich wird er das wollen, Magnus. Mads vergöttert dich. Das weißt du doch. Er hat immer getan, was du gesagt hast. Er ist in den Krieg gezogen, weil du uns verlassen hast. Er …« Sie hält inne, als sie sieht, dass sie ihn verletzt hat.
    »Es ist also meine Schuld?«
    »Nein. Das habe ich nicht gemeint. Nein, natürlich nicht, aber du hast ihm das Herz gebrochen.«
    »Das klang in seinem Brief aber ganz anders«, sagt er.
    »Ja, das stimmt.«
    »Mads glaubt an das Gute im Menschen«, sagt Magnus.
    »Ich weiß nicht, woran Mads glaubt, aber ich weiß, dass er zu jung ist, um zu sterben. Und du hast mir soeben versprochen, ihn zurückzuholen. Damit machst du mich sehr glücklich. Ich sage Vater Bescheid, dass du heute zum Abendessen kommst. Sagen wir um sieben Uhr? Du kannst auch gern schon eher kommen, wenn du magst. Und du wohnst dann auch zu Hause, ja?«
    Er lächelt nur, und sie sieht ihn unsicher an, und erst als er nickt, dreht sie sich um und geht mit schnellen Schritten zum Becken hinunter, um wie eine Entenmutter alle Patienten wieder einzusammeln. Sie dreht sich einige Male um und wirft ihm ein Lächeln zu. Auf einmal hat ihr Gang eine Leichtigkeit, die ihn verlegen macht, weil er so leichtfertig ein Versprechen gegeben hat.
    Magnus Meyer zündet sich eine neue Zigarette an und geht in Richtung Treppe, ohne sich noch einmal umzusehen.

3
    S ie sitzen an dem großen braunen Tisch im Salon, der Chefarzt an dem einen Tischende, Fräulein Jørgensen wie üblich an dem anderen. Sie hat diesen Platz zwei Jahre nach dem Tod der Mutter eingenommen. Fräulein Jørgensen hat einen neuen langen Rock an und eine hochgeschlossene beigefarbene Bluse, die über der Brust unvorteilhaft in Falten gelegt ist. Ihr Deutsch ist nicht sonderlich gut, aber sie hat bei Tisch nie viel gesprochen, sie hat bloß dagesessen, die anderen betrachtet und

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