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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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können.«
    »Ich kann nicht klagen.«
    »Und was haben Sie in New York gemacht? Besonders viel Vieh gibt es dort ja vermutlich nicht.« Er lacht glucksend vor sich hin und erntet dafür ein Lächeln von Marie, und selbst die Mundwinkel des Chefarztes bewegen sich ein wenig nach oben. Fräulein Jørgensen schaut auf ihren Suppenlöffel, den sie ruhig in der Hand hält. Sie isst die Suppe mit kleinen, disziplinierten Schlucken.
    Auch Magnus muss ein wenig lächeln: »Nein. Da haben Sie recht, Doktor Krause. In New York war ich der Leibwächter eines Mannes, der Salvatore Giacomo heißt. Er ist ein Mann mit sehr viel Geld und ebenso vielen Feinden.«
    Er spürt die Blicke des Chefarztes und von Marie, aber er sieht keinen Anlass, die Sache weiter auszuführen. Er ist ihnen keine Rechenschaft darüber schuldig, womit Giacomo sich beschäftigt oder wie viel er ihm dafür bezahlt hat, von ihm beschützt zu werden. Giacomo hatte ihm sogar einen Bonus gezahlt, weil er den Mord an seinem Sohn verhindert hatte. Magnus versucht, nicht daran zu denken, was Giacomo mit dem gedungenen Mörder machte, nachdem Magnus ihn mit dem Totschläger niedergeschlagen hatte, den er in den USA zusätzlich zu seinem Revolver immer bei sich trug. Giacomo legte sogar noch etwas drauf, weil Meyer den Feind nicht erschossen hatte. Als er ihn erst auf die Schulter und danach in denNacken geschlagen hatte, sodass er umgefallen war wie ein Getreidesack, hatte er nur das Rasen des Adrenalins in seinem heftig pochenden Puls wahrgenommen. Er versucht, nicht daran zu denken, was mit dem jungen Sizilianer passierte, als dieser das Bewusstsein wiedererlangte.
    »Aha. Und nun sind Sie hier. Nun sind Sie nach Hause zurückgekehrt.« Krause sieht ihn interessiert an. Er hält seine Gabel in die Luft, lässt sie jedoch sinken, als er bemerkt, dass sie auf Meyer zeigt.
    »Wie Sie sehen.«
    »Werden Sie wieder auf Reisen gehen? Sie verspüren vermutlich nach wie vor diesen jugendlichen Reisedrang? Mir erging es ebenso, als ich jung war und die bayerischen Hügel hinauf- und den schönen Rhein entlangwanderte. Ich habe im Harz den Brocken bestiegen, der im Nebel lag, wie ich mich noch deutlich erinnere, und habe damals voll innerer Übereinstimmung die heiteren Worte des großen Dichters Heine gelesen: ›Viele Steine, müde Beine, Aussicht keine, Heinrich Heine.‹« Es ist ein merkwürdig glucksendes, schnatterndes Lachen, das er vor Freude über seine lustige Gesprächseinlage plötzlich ertönen lässt. Die Tischgesellschaft lächelt pflichtschuldig, und Krause sagt: »Nun ja. Wollen Sie also wieder in die Welt hinaus, oder besinnen Sie sich jetzt auf ein ruhiges Leben mit Ehefrau und Kind? Es ist schließlich unsere Pflicht, irgendwann die Verantwortung für eine Familie zu übernehmen.«
    »Wir werden sehen«, sagt Magnus.
    Marie nickt Karla zu, die die Teller abträgt. Sie riecht ganz leicht nach Zimt, findet Magnus, als sie sich über ihn beugt, um seinen Teller und seinen Löffel mitzunehmen. Ihre Brust berührt beinahe seine Wange. Sie richtet sich auf, und der Chefarzt sagt in seinem trockenen, wissenschaftlichen Ton: »Verehrter Herr Kollege, meine Tochter lebt bei mir, und dafür muss ein Vater dankbar sein, wenn seine Söhne einen Hang zum Weglaufen haben.«
    »Vater …«, sagt Marie.
    »Das ist kein Vorwurf, Marie. Es ist nur die Feststellung, dass meine Söhne nicht den Pfad der Pflicht beschreiten, sondern ihre eigenen Wege gehen.«
    »Das trifft auf Ihren jüngsten Sohn doch weitaus mehr zu als auf seinen älteren Bruder, wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten«, sagt Doktor Krause und hält inne, als er die Wolke bemerkt, die über das Gesicht des Chefarztes zieht.
    »Ja, da haben Sie recht. Er hat nicht nur mich im Stich gelassen, sondern auch die Ideale verraten, nach denen er erzogen worden ist.«
    »Was meinst du damit?«, fragt Magnus und ignoriert Maries warnenden Blick.
    »Dass er von zu Hause weggelaufen ist, um sich mit Kommunisten, Klosterschändern, Kirchenbrennern und anderen zusammenzutun, die sich gegen die Gesellschaft und die anständigen Leute auflehnen. Außerdem verstößt er gegen dänisches Gesetz. Ein Verbrechen ist ein Verbrechen. Das lässt sich nicht beschönigen.«
    »Franco hat sich gegen die legal gewählte Republik aufgelehnt. Er und seine Faschisten sind die Gesellschaftsumstürzler.«
    »Du kannst jetzt das Hauptgericht servieren, liebe Karla«, sagt Marie. Karla steht in der Ecke und versteht kein Wort, aber an

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