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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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meine Karriere und mein Leben auf einer Lüge aufgebaut. Wie hätte ich ahnen können, dass das Buch so erfolgreich sein würde? Dieser Erfolg hat mir mein Leben lang zu schaffen gemacht. Mein Leben lang! Und dann findet die Polizei dreiunddreißig Jahre später Nola und das Manuskript in meinem Garten. Ausgerechnet in meinem Garten! In diesem Augenblick hatte ich solche Angst, alles zu verlieren, dass ich behauptet habe, ich hätte das Buch für sie geschrieben.«
    »Sie haben in Kauf genommen, dass man Sie des Mordes anklagt, nur damit die Wahrheit über dieses Manuskript nicht ans Licht kommt?«
    »Ja! Weil mein ganzes Leben eine einzige Lüge ist, Marcus!«
    »Nola hatte gar keine Kopie mitgenommen, stimmt’s? Das haben Sie nur behauptet, damit niemand Ihre Autorenschaft anzweifelt.«
    »Ja. Aber woher stammt das Exemplar, das sie bei sich hatte?«
    »Luther hatte es ihr in den Briefkasten gelegt«, erklärte ich.
    »In den Briefkasten?«
    »Luther wusste, dass Sie mit Nola durchbrennen wollten, er hatte Sie beide am Strand belauscht. Er wusste, dass Nola ohne ihn fortgehen würde, und so hat er seine Geschichte auch enden lassen: mit dem Fortgang der Hauptfigur. Er schreibt ihr einen letzten Brief, in dem er ihr ein schönes Leben wünscht. Dieser Brief findet sich auch in dem Manuskript, das er Ihnen gebracht hat. Luther wusste alles. Doch am Tag der Abreise, vermutlich in der Nacht vom 29. auf den 30. August, verspürt er das Bedürfnis, den Kreis zu schließen: Er will seine Geschichte mit Nola so beenden, wie sie in seinem Manuskript endet. Deshalb legt er einen letzten Brief in den Briefkasten der Kellergans oder, besser gesagt, ein letztes Paket: den Abschiedsbrief und das Manuskript seines Buchs, damit sie weiß, wie sehr er sie liebt. Und weil er weiß, dass er sie nie wiedersehen wird, schreibt er Adieu, allerliebste Nola auf das Deckblatt. Bestimmt hat er bis zum Morgen dort gewartet, um sicherzugehen, dass auch wirklich Nola die Post hereinholt. Das hat er immer so gemacht. Aber als Nola den Brief und das Manuskript findet, geht sie davon aus, dass Sie ihr geschrieben haben. Sie glaubt, dass Sie nicht zum Treffpunkt kommen werden, und dekompensiert. Sie dreht durch.«
    Harry sackte in sich zusammen und legte beide Hände aufs Herz. »Erzählen Sie es mir, Marcus! Erzählen Sie es mir! Ich möchte es mit Ihren Worten hören! Erzählen Sie mir auf Ihre unvergleichliche Art, was am 30. August 1975 passiert ist.«

    30. August 1975
    An einem Tag Ende August wurde in Aurora ein fünfzehnjähriges Mädchen ermordet. Es hieß Nola Kellergan. Alle Beschreibungen, die Sie über Nola hören werden, werden sie als vor Lebendigkeit und Träumen gerade zu überschäumend schildern. Es wäre zu kurz gegriffen, die Ursachen ihres Todes auf die Geschehnisse des 30. August 1975 zu reduzieren. Vielleicht beginnt alles schon Jahre früher. Etwa in den 1960er-Jahren, in denen die Eltern nicht mitkriegen, was für eine Krankheit sich in ihrem Kind eingenistet hat. Oder in einer Nacht des Jahres 1964, in der ein junger Mann von einer Bande angetrunkener Rowdys entstellt wird und in deren Folge einer von ihnen, von Schuldgefühlen geplagt und ohne sich zu erkennen zu geben, die Nähe des Opfers sucht, um sein Gewissen zu beruhigen. Oder in jener Nacht des Jahres 1969, in der ein Vater beschließt, Stillschweigen über das Geheimnis seiner Tochter zu bewahren. Vielleicht nimmt aber auch alles an einem Nachmittag im Juni 1975 seinen Anfang, als Harry Quebert Nola begegnet und die beiden sich ineinander verlieben.
    Dies ist die Geschichte von Eltern, die die Wahrheit über ihr Kind nicht sehen wollen.
    Dies ist die Geschichte eines reichen Erben, der in seinen verspäteten Flegeljahren die Träume eines jungen Mannes zerstört hat und bis heute von seiner Tat verfolgt wird.
    Dies ist die Geschichte eines Mannes, der davon träumt, ein großer Schriftsteller zu werden, und von seinem Ehrgeiz allmählich aufgefressen wird.
    Am 30. August 1975 hielt im Morgengrauen ein Wagen vor der Terrace Avenue 245. Luther Caleb war gekommen, um Nola Lebewohl zu sagen. Er war total durcheinander. Er wusste nicht mehr, ob sie sich geliebt hatten oder ob er alles nur geträumt hatte. Er wusste nicht mehr, ob sie sich wirklich all diese Briefe geschrieben hatten. Aber er wusste, dass Harry und Nola heute fliehen wollten. Auch er wollte weg aus New Hampshire – weit weg von Stern. In seinem Kopf ging es drunter und drüber: Der Mann, der ihm die

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