Die Wahrheit über Geld - Wie kommt unser Geld in die Welt und wie wird aus einem Kleinkredit ein großer Finanzcrash (German Edition)
stimmt – und die lautet unter dem Strich: Summe aller Schulden ist gleich Summe aller Geldvermögen. 3
Halten wir uns nun aber vor Augen, was passieren würde, wenn es überhaupt keine Eingriffe des Staates oder der Zentralbank gäbe. Beim Geldvermögen geschähe zunächst einmal nichts. Es würde natürlich weiter wachsen, aufgrund vertraglicher Abmachungen (Zins und Zinseszins) sogar wachsen müssen. Damit auf der anderen Seite aber auch die Schulden weiter wachsen könnten, müssten immer höhere Kredite aufgenommen werden.
In der Anfangsphase einer solchen Kurve ist dies noch unproblematisch, weil es im wirtschaftlichen Aufbau – zum Beispiel nach einem Krieg – genügend Projekte gibt, die eine Kreditfinanzierung für Geldgeber und -nehmer lohnend erscheinen lassen. Mit zunehmendem Reifegrad der Wirtschaft wird es aber immer schwieriger, solche Projekte zu finden. In Ländern, die diese Entwicklungsstufe erreicht haben, läuft die Wirtschaft dann allmählich in eine reale Sättigungsphase hinein. 4 Das Geldsystem aber verlangt ein immer Mehr an Geld und Krediten, sodass Realwirtschaft und Geldwesen auseinanderzudriften drohen.
Zunächst gibt es jedoch auch in diesem Stadium noch genügend Ausweichmöglichkeiten. Die wichtigste davon bietet – wie schon im Kapitel „Die Inflation ist da!“ erwähnt – die Finanzwirtschaft: Denn wenn neues Geld und neue Kredite in der Finanzwelt platziert werden, ist den Wachstumsanforderungen des Geldsystems genauso gedient, als wenn sie in die Realwirtschaft flössen. Dem System ist es schließlich egal, wofür das Geld verwendet wird.
Schafft es die Realwirtschaft also nicht mehr, das gesamte Kreditwachstum aufzunehmen, fließt immer mehr Geld in die Finanzwirtschaft. Als logische Konsequenz daraus schwillt der finanzielle Wasserkopf immer mehr an, wie die vergangenen Jahrzehnte gezeigt haben. Die Summen, die weltweit mit reinen Finanzprodukten – Futures, Optionen, CDS und wie sie sonst noch alle heißen mögen – umgesetzt werden, werden immer größer. Dasselbe gilt für die Summe an Krediten, die der Spekulation mit diesen Instrumenten dienen.
Und auch das Jonglieren mit Vermögenswerten aus der Realwirtschaft nimmt zu – etwa mit Immobilien oder ganzen Unternehmen. Wenn zum Beispiel eine Firma keine neue Produktionsstätte mehr benötigt, weil ihre bestehenden ausreichen und auch nicht modernisiert werden müssen, könnte sie aber zum Beispiel einen Kredit dafür benötigen, eine andere Firma zu übernehmen. Bei solchen Übernahmen entsteht in der Regel keinerlei zusätzliche Produktion. Oft werden im Gegenteil sogar Produktionsstätten still- oder zusammengelegt. Trotzdem werden auch für diese Transaktionen zusätzliches Geld und zusätzliche Kredite gebraucht.
Kein Wunder also, dass solche Geschäfte in den entwickelten Industriestaaten in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen haben. Mit den sogenannten Heuschrecken entstanden sogar Unternehmen, deren einziger Zweck es ist, bestehende Firmen mithilfe von Krediten zu kaufen und später gewinnbringend wieder zu verkaufen. Manch alteingesessener Produktionsbetrieb wurde auf diese Weise schon durch mehrere Eigentümerhände gereicht – oft von einer Heuschrecke zur nächsten.
Auch diese Geschäftsspielart ist ein Symptom für die fortgeschrittene Phase, in der sich unser System befindet. In wirtschaftlichen Newcomer-Ländern wie China spielt sie dagegen eine untergeordnete Rolle. Dort hat man noch mehr damit zu tun, die reale Produktion selbst zu finanzieren.
Einen weiteren Hebel, um das Geld- und Schuldenwachstum zu verlängern, bietet der Zins. Wenn der Kreditzins nämlich sinkt, können mehr Schuldner dazu animiert werden, Kredite aufzunehmen. Je größer also die Schuldenmenge schon geworden ist, desto niedriger muss der Kreditzins sein, um noch genügend neue Schuldner für die notwendigen zusätzlichen Kredite zu finden.
Der gleiche Effekt wirkt auf den Guthabenzins: Je mehr Geldvermögen vorhanden ist und nach Anlagemöglichkeiten sucht, desto kleiner wird die Belohnung für die Geldanlage.
Folgerichtig geht der Zinstrend bei uns schon seit Jahrzehnten nach unten. Dies ist also weniger das alleinige Ergebnis der besonders freigiebigen Notenbankpolitik, wie oft behauptet wird, sondern vielmehr eine Begleiterscheinung des fortgeschrittenen Stadiums der Geld-Schulden-Spirale.
Zwar machen die Notenbanken bei den Niedrigzinsen mit, indem auch sie ihre Leitzinsen auf Rekordtiefs setzen – das ist
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