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Die Wahrheit

Die Wahrheit

Titel: Die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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voneinander getrennt. Jetzt, als Männer mittleren Alters, hatten sie die Chance, sich näher zu stehen, als es bei Brüdern in dieser Phase des Lebens normalerweise der Fall war.
    Sofern sie überlebten. Josh warf die Zigarette aus dem Seitenfenster und fuhr weiter.
    Hinten, im Wohnanbau des Kleinlasters, fand Rufus Harms keinen Schlaf. Er lag auf dem Rücken, eine schwarze Persenning bis zur Brust hochgezogen - Joshs Werk: Die Persenning sollte Rufus tarnen, sollte mit der schwarzen Auskleidung des Bettes verschmelzen. Um Rufus herum standen Kartons mit Lebensmitteln, verzurrt mit elastischen Gummiseilen - ebenfalls Joshs Werk: eine Wand, die verhindern sollte, daß jemand ins Innere des Wagens schauen konnte.
    Rufus versuchte, sich ein wenig zu strecken, zu entspannen, denn das Rütteln, Schütteln und Schaukeln des Kleinlasters war unangenehm. Er hatte in keinem Automobil mehr gesessen, seit Richard Nixon Präsident gewesen war. Konnte das wirklich sein? Wie viele Präsidenten waren nach Nixon gekommen? Immer wieder hatte die Army ihn mit Hubschraubern von einem Gefängnis zum anderen verlegt, war anscheinend nicht bereit gewesen, ihn nah an eine Straße, an die Freiheit herankommen zu lassen. Wenn man aus einem Hubschrauber flüchten wollte, gab es nur eine Richtung - nach unten.
    Rufus versuchte, zwischen den Pappkartons in die vorüberziehende Nacht zu spähen. Aber es war schon zu dunkel. Freiheit. Er hatte sich oft gefragt, wie sie sein würde. Er wußte es noch immer nicht. Er hatte zu große Angst. Man suchte nach ihm. Gefährliche Leute. Und sehr viele. Sie wollten ihn töten. Und nun auch seinen Bruder.
    Rufus’ Finger schlossen sich um den Einband der Krankenhausbibel. Seine altvertraute Bibel, die seine Mutter ihm geschenkt hatte, lag noch in der Zelle. Rufus hatte sie all die Jahre ständig bei sich gehabt, hatte immer wieder die Heilige Schrift zu Rate gezogen, damit sie ihm Kraft gab, all das zu durchstehen. Ohne diese Bibel fühlte er sich leer, im Herzen und im Kopf. Aber jetzt war es zu spät. Er spürte, wie sein Herz schneller schlug, und gemahnte sich zur Vorsicht - keine zu große Belastung!
    Aus dem Kopf zitierte er tröstende Worte aus dem Schatz der Bibel. In ungezählten Nächten hatte er das Buch der Sprüche gemurmelt, alle einunddreißig Kapitel, und die einhundertundfünfzig Psalmen, jeder einzelne so bedeutungsschwer, tröstend, überzeugend. Jeder mit einer besonderen Bedeutung, die ihm Einblick in seine Existenz gewährte - oder was davon noch übrig war.
    Schließlich richtete Rufus sich halb auf und schob das Fenster zur Fahrerkabine des Fahrzeugs zur Seite. Aus diesem Blickwinkel konnte er das Gesicht seines Bruders im Rückspiegel sehen.
    »Ich dachte, du schläfst«, sagte Josh.
    »Kann nicht schlafen.«
    »Was macht dein Herz?«
    »Mein Herz macht mir keine Probleme. Wenn ich sterbe, dann nicht wegen meines Herzens.«
    »Es sei denn, es wird von ’ner Kugel getroffen.«
    »Wohin fahren wir?«
    »Eine kleine Hütte am Arsch der Welt. Ich dachte, wir bleiben da ’ne Weile, bis sich alles beruhigt hat, und fahren dann nachts weiter. Wahrscheinlich glauben sie, wir würden nach Süden fahren, zur mexikanischen Grenze, also fahren wir nach Norden nach Pennsylvania. Vorerst jedenfalls.«
    »Hört sich gut an.«
    »He, du hast gesagt, Rayfield und dieses andere Arschloch .«
    »Tremaine. Der alte Vic.«
    »Ja, du hast gesagt, sie hätten die ganze Zeit auf dich aufgepaßt. Wieso hängen die nach so vielen Jahren noch immer da rum? Sind die nicht auf den Trichter gekommen, du hättest schon längst was gesagt, wenn du wüßtest, was mit dir passiert ist? Zum Beispiel bei deinem Prozeß?«
    »Darüber hab’ ich auch nachgedacht. Vielleicht haben sie geglaubt, ich hätte mich damals nicht daran erinnern können, daß es mir eines Tages aber wieder einfällt. Nicht, daß ich was beweisen könnte. Aber wenn ich was gesagt hätte, hätte ich sie in Schwierigkeiten gebracht, oder jemand wäre der Sache wenigstens mal auf den Grund gegangen. Nein, es war am einfachsten, mich zu töten. Glaub mir, sie haben es versucht, aber es hat nicht geklappt. Vielleicht haben sie gedacht, ich wollte sie reinlegen, mich dumm stellen und darauf hoffen, ihre Wachsamkeit würde nachlassen, und dann anfangen zu reden. Aber solange sie auch im Gefängnis waren, hatten sie mich ja ziemlich unter der Fuchtel. Sie haben meine Post gelesen, die Leute überprüft, die mich besucht haben. Wäre ihnen was

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