Die Wall Street ist auch nur eine Straße
dem Kaminfeuer sitzen. Thermostate wurden nach unten gedreht. Auf der ganzen Welt wurden kleine Autos gebaut. Die Nachfrage sank, das Angebot stieg und der Ölpreis ging für 18 oder 19 Jahre auf Tauchfahrt. Die Baisse der Rohstoffe dauerte die ganzen 1990er-Jahre.
Das ist klassische Ökonomie. Die Kur gegen hohe Preise sind hohe Preise. Das funktioniert immer.
Die Wahrheit ist, dass man Rohstoffe tatsächlich leichter durchschauen kann als Aktien. Niemand versteht IBM, nicht einmal ihr eigener Chef. Bei IBM gibt es Hunderttausende Faktoren – Angestellte, Produkte, Teile, Lieferanten, Konkurrenten, Regierungen, Bilanzen und Gewerkschaften –, mit denen sich das Unternehmen auseinandersetzen muss. Baumwolle ist dagegen recht einfach zu verstehen. Alles, was man über Baumwolle wissen muss, ist: Gibt es zu viel oder zu wenig Baumwolle? Für Baumwolle spielt es keine Rolle, wie der Chairman der Federal Reserve heißt. Der Chef von IBM muss so etwas wissen und sich damit beschäftigen. Aber bei Baumwolle: Gibt es zu viel oder zu wenig davon? Das herauszufinden ist vielleicht gar nicht so einfach, aber die Frage selbst ist simpel, und letztlich handelt es sich um die einzige Frage, der man seine Zeit widmen muss.
Um einen Rohstofffonds zu gründen, musste ich meinen eigenen Index konzipieren. Es gab zwar andere Indizes, aber dort konnte ich mein Geld nicht investieren, weil sie schlecht konstruiert waren. Andere waren sehr eng. Zum Beispiel bestand der Goldman Sachs Commodity Index zu zwei Dritteln aus energetischen Rohstoffen. Was war denn das für ein Index? Da konnte man auch gleich in Öl investieren. Noch wichtiger war, dass der Index jedes Jahr verändert wurde. Zum Beispiel wurde Lebendvieh in einem Jahr mit 26 Prozent gewichtet, ein paar Jahre später mit 4 Prozent. Man konnte nicht wissen, was man in drei oder vier Jahren besitzen würde. Und Goldman Sachs wusste es auch nicht. Zudem investierte ich mein eigenes Geld, nicht das Geld meiner Kunden. Goldman Sachs betrieb intensiv Arbitrage gegen die eigenen Kunden. Ich hatte keine Kunden. Ich wollte etwas haben, das für mich Geld verdiente – und für jeden Kunden, der zusammen mit mir investierte.
Der Dow Jones Commodity Index veränderte sich ebenfalls ständig. Außerdem war dort zum Beispiel Aluminium höher gewichtet als Weizen. Es gab auf der Welt Menschen, die Aluminium noch nie gesehen geschweige denn verwendet hatten. Aber jeder brauchte Weizen. Im Reuters/Jefferies CRB Index, den ich ebenfalls näher betrachtete, war Orangensaft ebenso hoch gewichtet wie Rohöl. Ein weiteres Problem all dieser Indizes lag in ihrer geografischen Kurzsichtigkeit. Die meisten von ihnen reflektierten nur das, was sich in den Zeitzonen abspielte, in denen sie selbst tätig waren. Sie beschränkten sich auf Rohstoffe, die in London und in den USA gehandelt wurden. Ich habe keine Ahnung, wie man anhand dieser Indizes seriös hätte investieren können. Man konnte das nicht einmal Glücksspiel nennen, denn beim Glücksspiel weiß man wenigstens, wie viele Karten auf dem Tisch liegen.
Ich startete meinen Index am 1. August 1998, und rückblickend finde ich dieses Timing recht erstaunlich. Der Index begann im Zeitraum von vier bis sechs Monaten rund um das Tief der 19-jährigen Baisse. Timing ist nicht gerade meine Stärke, kurzfristiges Trading ebenfalls nicht, aber mit dieser Kalkulation lag ich genau richtig. Alle meine Erfolge als Investor schreibe ich meiner Aufmerksamkeit für bedeutende Veränderungen und sich entwickelnde Trends zu. Und wie ich schon sagte: Ich habe genug über mich selbst gelernt, um zu wissen, dass ich in der Regel ein, zwei, vielleicht sogar drei Jahre zu früh dran bin. Dies war eine bemerkenswerte Ausnahme.
Die Baisse der Rohstoffe war vorbei und eine Hausse würde beginnen. Der Rogers International Commodity Index war ein breit gefasstes Instrument für beständige Investitionen in Rohstoffe. Er enthielt 36 Rohstoffe, die an 13 internationalen Börsen gehandelt wurden. Von Anfang an wies er höhere Gesamtrenditen auf als andere Rohstoffindizes. Bis zum August 2012 schaffte der RICI eine Rendite von insgesamt 281 Prozent. Im selben Zeitraum erreichte der S&P eine Gesamtrendite von 62 Prozent.
WÄHREND PAIGE UND ICH rund um die Welt fuhren, erhielt ich die Nachricht, dass Jim O’Neill, Ökonom bei Goldman Sachs, den Begriff BRIC geprägt hatte. In einer 2001 veröffentlichten Studie prognostizierte er eine Verschiebung der globalen
Weitere Kostenlose Bücher