Die Wall Street ist auch nur eine Straße
Journal zu lesen begann, bestand er aus einer einzigen Seite, aber schon damals hielt ich ihn für wichtig. Wenn ich mich in meiner Bibliothek umsehe, bemerke ich, dass die erste Ausgabe des Commodity Research Bureau (CRB) Yearbook von 1971 stammt. Mindestens schon damals, irgendwann zwischen 1968, als ich meinen ersten Vollzeitjob an der Wall Street erhielt, und dem Tag, an dem ich dieses Buch kaufte, war ich also neugierig genug gewesen, mich mit der wichtigsten Informationsquelle zu diesem Thema zu beschäftigen.
Während ich damals mit Erfolg in Rohstoffe investierte, interessierten sich andere Leute natürlich überhaupt nicht dafür. Vielleicht war es ein Teil des Problems – oder ein Teil meines Erfolgs –, dass ich nicht genug wusste, um zu verstehen, dass ich die Rohstoffe eigentlich hätte links liegen lassen sollen. Hätte ich eine Wirtschaftsfakultät besucht, dann hätte ich gewusst, dass Rohstoffe unwichtig waren, und ihnen wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Ich hatte aber nicht Wirtschaftswissenschaften studiert und auch kein richtiges Ausbildungsprogramm als Investmentbanker absolviert.
Wie schon erwähnt erlitten wir bei Quantum hohe Verluste, als Präsident Richard Nixon im August 1971 das Goldfenster schloss. Als er es drei Jahre später wieder öffnete, machten wir mit Rohstoffen hohe Gewinne. Ein Jahr vor seinem Rücktritt stellte Nixon als Reaktion auf weltweite, wütende Proteste für amerikanische Staatsbürger die Konvertibilität zwischen dem US-Dollar und Gold wieder her, die Franklin Roosevelt, trotz aller früheren gegenteiligen Versprechungen, 1933 beendet hatte. Gold hatte damals einen fixen Weltmarktpreis von 35 Dollar. Am 1. Januar 1974, dem ersten Tag, als die Amerikaner wieder Gold kaufen durften, schoss der Preis in Vorwegnahme künftiger Steigerungen um 600 Prozent bis auf 200 Dollar je Unze in die Höhe.
An diesem Tag erschien Merrill Lynch beim Londoner Goldfixing, um für seine amerikanischen Kunden zu kaufen. Unser Fonds verkaufte ihnen das Gold. Wir verkauften es ihnen leer, weil wir genug über die Märkte wussten, um zu verstehen, dass nun jeder einsteigen und auf den ganz großen Käufer warten wollte. Der Preis war zu schnell zu hoch gestiegen. Merrill Lynch erhöhte seine Bestände in Erwartung der großen Käufe. Es ist ein altbewährtes Prinzip – aber aus irgendeinem Grund scheinen sich die Leute dessen nicht bewusst zu sein –, dass der Markt immer entsprechend steigt, wenn man erwartet, dass noch jemand einsteigen wird. Die Märkte sind schlau, sie zeigen immer einen Vorlauf der erwarteten Entwicklung. Daher sank der Goldpreis in den nächsten Monaten auf 100 Dollar je Unze und verlor 50 Prozent seines Werts. Und wir verzeichneten erhebliche Gewinne.
Aber auch 100 Dollar waren noch weitaus mehr als 35 Dollar. 1974 hatte die Goldförderung seit fast einem halben Jahrhundert stagniert. Zum international festgelegten Goldpreis (zunächst 20, dann 35 Dollar) lohnte sich das Geschäft für die Goldminen nicht. Wenn ein Minenunternehmen nicht über riesige Goldvorkommen verfügte, verdiente es nicht viel Geld – der Preis würde nicht steigen. Aber die erhöhte Nachfrage und die massiv steigenden Preise wirkten sich schließlich auch auf die Produktionsrate aus. Die Goldförderer sind nicht dumm. Vielleicht sagte sich der Minenbesitzer: Das Gold, das ich 1966 gefunden habe, war bei einem Preis von 35 Dollar je Unze nicht wert, gefördert zu werden. Aber jetzt, wo der Preis bei 100 Dollar liegt und weiter steigt, ist es Zeit, die Produktion wieder aufzunehmen. Sechs Jahre später, im Frühling 1980, erreichte der Goldpreis 850 Dollar je Unze. Die Fundamentaldaten sahen in der Tat sehr gut aus: Das Angebot war niedrig, der US-Dollar wurde abgewertet, das Land war massiv verschuldet, es gab ein hohes Handelsbilanzdefizit.
Die Rohstoffhausse hatte mehr als 15 Jahre gedauert. Die Preise stiegen, die Produktion legte zu, und als das Angebot die Nachfrage überstieg, gingen die Preise für Gold und andere Rohstoffe wieder zurück. Und sie blieben für fast 20 weitere Jahre gedrückt. Einer der auffälligsten Preisrückgänge ereignete sich im Energiesektor. In den 1970er-Jahren stieg der Ölpreis um über 1000 Prozent. Und dann kamen neue Ölfunde an den Markt. Das Nordseeöl begann zu fließen. Öl aus Alaska und Mexiko strömte auf den Markt. In ihrer Weisheit begann die Welt gleichzeitig, ihren Verbrauch einzuschränken. Im Fernsehen sah man Jimmy Carter im Pullover vor
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