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Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Titel: Die Wall Street ist auch nur eine Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Rogers
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Vergangenheit gab es in Amerika schon große Zusammenbrüche. 1907 ging das gesamte Finanzsystem unter. Und trotzdem kamen wir im 20. Jahrhundert an die Spitze zurück. In der gesamten amerikanischen Geschichte findet man Beispiele von Banken und Versicherungsunternehmen, die kollabierten, von Bundesstaaten, Bezirken und Gemeinden, die pleitegingen. Nach dem Ersten Weltkrieg erlitten die USA einen schweren wirtschaftlichen Rückschlag, aber die Regierung erreichte einen ausgeglichenen Haushalt, während die Federal Reserve die Zinsen erhöhte, um die Inflation im Zaum zu halten. Wir mussten ein paar Monate leiden, wurden dafür aber in den »goldenen« 20er-Jahren entschädigt. Wenn die Verantwortlichen in Washington etwas von Geschichte und Wirtschaft verstünden, würden wir vielleicht aufhören, Pleitekandidaten zu stützen.
    Seit Anbeginn der Zeit gab es auf der Welt finanzielle Panik, finanzielle Katastrophen. Das ist kein Spaß. Es passiert einfach. Und die Welt überlebt. Sehen wir uns noch einmal Japan an. 1966 erlitt Japan einen gewaltigen Zusammenbruch. Jeder Aktienbroker in Japan machte Pleite. Jeder Broker. War dies das Ende der Welt? Nein. Alle Broker und Investmentbanken durften pleitegehen. In den nächsten 25 Jahren war Japan phänomenal erfolgreich, mehr als jede andere Nation in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
    Aber die USA haben sich dazu entschieden, sich nach Japans jüngerer Vergangenheit zu richten. Die Akteure sind Politiker, die sich um die nächsten Wahlen sorgen, und flehende Banker, die sich um ihren nächsten Bonus sorgen. Wie jede Interessengruppe in der heute größten Schuldnernation der Welt, wo jeder die Hand aufhält und die Bundesregierung großzügig Geschenke verteilt, verdienen auch die Reichen Auszahlungen. Es wird keine Rezession eintreten. Auch keine Pleite. Es wird Wohltaten für die Reichen geben. Sie dürfen ihren Lamborghini und das Haus in den Hamptons behalten. Der Feuerwehrmann in Omaha und die hart arbeitende Zahnarzthelferin in Colorado Springs werden fröhlich dafür sorgen – auch wenn sie sich dafür noch einen zweiten Job suchen müssen. Wir werden sie nicht zwingen, unvernünftige Assets zu verkaufen, sondern ihnen auch noch Geld geben, damit sie sie behalten können – oder noch besser: Wir werden sie ihnen abkaufen. Sie werden für ihr Scheitern belohnt.
    Die Japaner sprechen von zwei verlorenen Jahrzehnten. Wir in Amerika werden mindestens zwei davon haben, vielleicht auch mehr.
    VOR DEM ZUSAMMENBRUCH der Subprime-Hypotheken war ich mit Richard Shelby, dem republikanischen Senator meines Heimatstaats Alabama, zum Mittagessen verabredet. Shelby war damals Vorsitzender des Senatskomitees, das für Bankwesen, Immobilien und Stadtentwicklung zuständig war und somit auch Fannie Mae überwachte. Ich sagte: »Dick, ich hoffe, das ist kein Schock für Sie«, und erklärte ihm, dass ich Fannie Mae leer verkauft hatte, weil ich glaubte, dass das Unternehmen seine Bilanzen frisierte und einen Betrug beging. Er dachte eine Minute darüber nach und antwortete: »Vielleicht haben Sie recht.« Aber dann bat er um mein Verständnis. Fannie Mae und Freddie Mac brachten mehr politische Spenden für die Leute »in dieser Stadt« auf als jedes andere Unternehmen im gesamten Land. Es war unwahrscheinlich, dass die Regierung sie zur Rechenschaft ziehen würde, ganz zu schweigen davon, dass die Leute, die ihre Bilanzen fälschten, ins Gefängnis wandern könnten; ganz einfach deshalb, weil sie jedem Geld zusteckten. Senator Shelby war und ist ein kluger Beobachter.
    Ich weiß zwar, dass es Beispiele für Betrug gibt, aber ich glaube nicht, dass der Crash in erster Linie durch kriminelles Verhalten verursacht wurde. Viel weiter verbreitet und am Ende sogar noch ärgerlicher war das Ausmaß der Inkompetenz. Ich hatte damals wirklich viele Argumente und wollte andere davon überzeugen, dass es sich um einen Betrug handelte, sagte, die Sache werde zusammenbrechen, und erläuterte auch, warum das so sein werde – und völlig intelligente, ehrgeizige, gutwillige Leute entgegneten mir, ich sei verrückt. Jeder war hinter dem schnellen, einfach zu erreichenden Geld her, und wenn jemand warnte, das werde nicht funktionieren, machte man sich über ihn lustig. Es war eine wilde Zeit, denn dank der Zentralbank waren enorme Mengen leichten Geldes verfügbar. Wenn man schnell und schlau genug war, verdiente man immer mehr davon.
    Nur wenige bemerkten, dass das Haus auf Sand gebaut

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