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Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Titel: Die Wall Street ist auch nur eine Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Rogers
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ohne Bankrotte ist wie Christentum ohne Hölle«
    Der Chairman der Federal Reserve ist gesetzlich verpflichtet, dem Kongress zweimal jährlich einen Bericht über die Geldpolitik der Fed vorzulegen; außerdem muss er sich zu verschiedenen Zeitpunkten zu zahlreichen anderen Angelegenheiten äußern. Einmal schaute ich mir einen solchen Rechenschaftsbericht Bernankes an – ich befand mich irgendwo in einem Hotelzimmer, und der Fernseher lief. Als man ihm Fragen zum Wertverlust des Dollars stellte, meinte er, das spiele nur für Amerikaner auf Auslandsreisen eine Rolle. Nun sah ich mir den Mann auf dem Bildschirm sehr genau an, um herauszufinden, ob er log oder tatsächlich keine Ahnung hatte. Eine solche Aussage ist etwa so, als behaupte man, ob die Sonne im Osten aufgehe, sei für den Durchschnittsamerikaner unbedeutend, solange er nicht nach Osten schaue.
    Nehmen wir an, Sie besitzen Aktien von IBM, deren Kurs von 100 auf 200 Dollar steigt. In US-Dollar haben Sie Geld verdient, aber wenn der Außenwert des US-Dollars um 50 Prozent fällt, haben Sie überhaupt kein Geld verdient. Sie können sich nicht mehr schottischen Whisky kaufen als zuvor, und auch Ihre Fähigkeit, sich einen Toyota zu kaufen, ist nicht gestiegen, denn in beiden Fällen handelt es sich um Importgüter, deren Preise sich effektiv verdoppelt haben. Wenn Sie ausländische Güter kaufen wollen, sind Sie nun nicht besser dran. Dazu gehört auch Erdöl. Wenn der Wert aller Güter gleich bleibt, dann bedeutet der Wertverlust des Dollars, dass Ihr Lebensstandard gesunken ist.
    Wenn der Dollar schwach ist, steigt der Preis importierter Autoreifen, und das betrifft Sie als Amerikaner auch dann, wenn Sie keine Reifen von Michelin kaufen, weil Goodyear ebenfalls seine Preise erhöhen wird; möglicherweise nur deshalb, weil der Import von Gummi teurer geworden ist. Wenn der Dollar an Wert verliert, erzielt Saudi-Arabien geringere Einnahmen, weil die internationalen Ölpreise in US-Dollars notiert werden. Was glauben Sie, wie lange die Araber das zulassen? Für jeden Scheich steigt der Preis eines Mercedes. Schon um ihren Lebensstandard zu halten, werden die Saudis die Ölpreise erhöhen müssen. Am klügsten und effektivsten funktioniert das durch die Verknappung des Angebots.
    Das ist der Albtraum der Inflation. Vielleicht glauben Sie, dass es Ihnen nun besser geht, weil sich der Kurs Ihrer IBM-Aktien verdoppelt hat – oder weil vielleicht Ihr Gehalt gestiegen ist –, aber wenn Sie sich umsehen, dann bemerken Sie, dass Sie für alles mehr bezahlen. Sie zahlen mehr für Benzin. Sie zahlen mehr für Lebensmittel. Ihr Dollar besitzt immer weniger Kaufkraft: gegenüber anderen Währungen, Reis, Gold …
    Wenn der Dollar sinkt, dann hat dieser Rückgang breite Auswirkungen auf alles, was Sie als Amerikaner kaufen, auf alles, was Sie tun, und auch so ziemlich auf alles, was im Rest der Welt passiert. Das lernt man im Einführungskurs Wirtschaftswissenschaften. Als Bernanke vor dem Kongress erklärte, der Wertverlust des Dollars ziehe keine Konsequenzen nach sich, sah er nicht wie ein Lügner aus. Und da er unter Eid aussagte, würde man annehmen, dass er in gewisser Hinsicht beschränkt war. Daher stellte ich letztlich fest, dass Bernanke noch weniger wusste, als ich gedacht hatte.
    Denken Sie an die zahlreichen Erklärungen, die zahlreichen Prognosen Bernankes im Lauf der Jahre, dann werden Sie sehr schnell erkennen, dass Bernanke selten recht behielt. Er weiß wenig von Ökonomie oder Finanzen, er hat keine Ahnung, wie die Märkte funktionieren, und was die Währung betrifft, da weiß er nur eines ganz genau: wie man sie druckt. Noch immer hat er nicht begriffen, dass es in der aktuellen Krise nicht um Liquidität, sondern um Zahlungsfähigkeit geht. An Liquidität herrscht kein Mangel. Ein Grund der Krise ist tatsächlich, dass die europäischen und amerikanischen Zentralbanken dem Markt 10 oder 15 Jahre lang zu viel Liquidität zugeführt haben. Es stand zu viel billiges Geld zur Verfügung. Das führte zu den Blasen am Immobilienmarkt und beim Konsum, und als diese Blasen platzten, stand die Welt vor einem Kreditproblem. Privatleute, Institutionen und Regierungen hatten sich finanziell übernommen und konnten ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen. Zur Explosion kam es, als die Banken alle diese Schrottpapiere in Subprime-Anleihen umwandelten. Auch heute erhalten halbwegs solvente Menschen Kredite. Liquidität ist nicht das Problem. Das Problem ist,

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