Die Wand
nicht. Ich spürte, wie mir der Schweiß übers Gesicht lief und sich in den Mundwinkeln sammelte. Das Hemd klebte mir an der Haut. Dann zerriß der erste Donnerschlag die Stille. Perle sprang entsetzt vom Fensterbrett und floh ins Ofenloch. Ich schloß das Fenster und die Läden, und die Schwüle wurde erstickend. Dann erhob sich in den Wolken ein tobendes Gebrüll. Durch die Spalten der Fensterläden sah ich es gleißendgelb niederzucken. Aus der Dunkelheit tauchte die alte Katze auf, blieb mit gesträubtem Fell mitten im Zimmer stehen, stieß einen klagenden Schrei aus und verkroch sich unter meinem Bett, von wo ich beim schwachen Kerzenlicht ihre Augen gelbrot leuchten sah. Ich wollte die Tiere beruhigen, aber der nächste Donnerschlag verschluckte meine Stimme. Das langgezogene tiefe Gebrüll über uns dauerte vielleicht zehn Minuten, aber mir erschien es endlos. Die Ohren taten mir weh, ganz innen im Kopf, und sogar die Zähne fingen an zu schmerzen. Ich habe Lärm immer sehr schlecht vertragen und ihn als körperlichen Schmerz empfunden.
Dann war es plötzlich eine Minute lang ganz still, und diese Stille war beklemmender als der Lärm. Es war, als stünde über uns mit gespreizten Beinen ein Riese und schwänge seinen feurigen Hammer, um ihn auf unser Spielzeughaus niedersausen zu lassen. Luchs winselte und drängte sich an mich. Es war fast eine Erlösung, als der nächste Blitz gelb niederfuhr und der Donner das Haus erzittern ließ. Was dann folgte, war ein heftiges Gewitter, aber das Schlimmste hatten wir hinter uns. Auch Luchs schien das zu spüren, denn er sprang von der Bank und kroch zu Perle ins Ofenloch. Weißes Fell lag dicht an rotbraunes Fell geschmiegt, und ich blieb allein am Tisch zurück.
Jetzt hatte sich auch der Sturm erhoben und fegte fauchend über das Haus weg. Die Kerze fing an zu flackern, und sogleich schien es mir weniger schwül zu sein. Der Anblick der flackernden Kerze ließ mich an kühle, frische Luft denken. Ich fing jetzt an, die Sekunden zwischen Blitz und Donner zu zählen. Nach dieser Berechnung stand das Gewitter noch immer über dem Kessel. Der Jäger hatte mir einmal von einem Gewitter erzählt, das sich drei Tage lang im Kessel verfangen hatte. Damals hatte ich ihm nicht recht geglaubt, jetzt dachte ich anders darüber. Ich konnte nichts tun als warten. Ich hatte den ganzen Tag gebückt im Himbeerschlag gestanden, und die Müdigkeit fing an, mich zu quälen. Ich wagte nicht, mich aufs Bett zu legen, aber ich spürte, daß ich so müde wurde, daß die Kerzenflamme zu einem wäßrigen, wabernden Ring verschwamm. Immer noch regnete es nicht. Das hätte mir Sorgen machen müssen, aber zu meinem eigenen Erstaunen fing ich an, ganz gleichgültig zu werden. Meine Gedanken verwirrten sich auf schläfrige Weise. Ich bemitleidete mich sehr, weil ich so müde war und man mich nicht schlafen ließ, und ichwar sehr böse und erbittert auf irgend jemand, aber als ich aufschrak, hatte ich vergessen, mit wem ich gerechnet hatte. Die arme Bella zog durch meinen Kopf, der Erdapfelacker, und dann fiel mir ein, daß die Fenster in meiner Wohnung in der Stadt offenstanden. Es fiel mir schwer, mir selber die Unsinnigkeit dieses Gedankens klarzumachen. Ich sagte laut: ›Vergiß die verdammten Fenster‹ und erwachte.
Ein Donnerschlag ließ das Geschirr auf dem Herd klappern. Es mußte ganz in der Nähe eingeschlagen haben. Die Bombennächte im Keller fielen mir ein, und die alte Furcht ließ meine Zähne aufeinanderschlagen. Auch die Luft war so dick und schlecht wie damals im Keller. Schon wollte ich die Tür aufreißen, als der Wind brüllend um das Haus raste und die Schindeln auf dem Dach zu rattern anfingen. Ich wagte nicht, mich hinzulegen, und ich wagte nicht mehr, mich an den Tisch zu setzen, weil ich nicht wieder in den unangenehmen Dämmerzustand gleiten wollte. So fing ich an, im Zimmer auf und ab zu gehen, die Hände auf dem Rücken verschränkt und vor Müdigkeit taumelnd. Luchs streckte den Kopf aus dem Ofenloch und sah mich beunruhigt an. Ich brachte es fertig, ihm etwas Tröstliches zu sagen, und er zog sich wieder zurück. Das Gewitter schien mir jetzt schon stundenlang zu dauern; dabei war es erst halb zehn. Endlich wurden die Zeiträume zwischen Blitz und Donner länger, und ich atmete ein wenig auf. Aber noch immer regnete es nicht, und das Sausen des Windes ließ nicht nach. Und da hörte ich plötzlich, wie aus weiter Ferne, Glocken läuten. Es war ganz
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