Die Wanderapothekerin 1-6
Gräfin.
»Jetzt können wir gleich morgen früh aufbrechen und vielleicht noch ein wenig von der Zeit gutmachen, die wir hier verloren haben«, sagte Klara zu Martha. Da fiel ihr noch etwas ein.
»Verzeih die Frage«, sprach sie die Mamsell an. »Aber Herrn Ludwigs Ansicht zufolge muss es einen Feind geben, der selbst Herr auf Waldstein werden will. Weiß man, wer es ist? Ich würde ungern mit ihm zusammenzutreffen, ohne ihn zu erkennen. Immerhin könnte er sich, da wir Ihrer Erlaucht geholfen haben, an meiner Freundin und mir rächen wollen!«
Die Mamsell schüttelte kurz den Kopf. »Dazu wird es nicht kommen! Graf Ludwig hat beim Studium der Unterlagen herausgefunden, dass es auch in der weitläufigen Verwandtschaft der gräflichen Familie etliche überraschende Todesfälle gab, und dadurch konnte er den Verdächtigen bestimmen. Er wird diesem einen Brief schreiben und ihn auffordern, nach Amerika oder gar nach Indien auszuwandern, weil er ihn sonst vor seine Klinge fordern würde. Da Graf Ludwig für sein Geschick mit dem Rapier berühmt ist, wird der Mann das Land verlassen.«
»Aber damit entgeht der Kerl seiner Strafe für all die Morde!«, rief Klara entsetzt.
»Graf Ludwig hält diese Lösung für besser, da jede andere einen enormen Skandal nach sich ziehen und die Ehre der Familie beschmutzen würde!« In der Stimme der Mamsell lag eine Warnung, dieses Thema nicht länger zum Gegenstand von Erörterungen zu machen. »Im Namen Graf Ludwigs fordere ich euch beide auf, nichts von dem zu erzählen, was hier geschehen ist.«
»Aber wie soll ich Herrn Tobias Just erklären, weshalb ich mich so sehr verspäte?« Klara klang zornig.
»Es ist Graf Ludwigs Wunsch, und ihr werdet ihn erfüllen. Sagt einfach, es hätte hier keine Hebamme gegeben, und so wärst du aus gottgefälliger Hilfsbereitschaft hiergeblieben, um Ihrer Erlaucht in den letzten Wochen ihrer Schwangerschaft und bei ihrer Niederkunft beizustehen. Damit eine gute Nacht und für morgen eine gute Reise!« Ohne ein weiteres Wort verließ die Mamsell die Kammer.
Klara sah ihr kopfschüttelnd nach. »Was denken sich diese Leute eigentlich? Sie reden sich alles so zurecht, wie es ihnen passt, und wir müssen parieren!«
»So ist nun einmal der Lauf der Welt. Die, die oben sind, befehlen, und wir kleinen Leute müssen gehorchen, selbst wenn die Anweisungen noch so unsinnig sind«, antwortete ihre Freundin mit einer wegwerfenden Handbewegung.
Klara wollte sich damit nicht zufriedengeben, doch ehe sie etwas erwidern konnte, klopfte es an die Tür, und auf ihre Aufforderung kamen Rita und der Küchenjunge herein. Anton trug ein großes Paket mit Lebensmitteln, das er ihr grinsend überreichte.
»Ihr werdet es brauchen, denn ihr wollt in den nächsten Tagen gewiss keine Zeit damit verlieren, euch etwas zu essen zu besorgen.«
»Danke!« Klara reichte das Paket an Martha weiter, da diese es am nächsten Tag sowieso würde schleppen müssen, und umarmte sowohl Anton wie auch Rita.
»Es ist schade, dass ihr nicht bleiben könnt«, schluchzte die ehemalige Küchen- und jetzige Kindsmagd.
»Das ist wirklich schade«, stimmte Anton ihr zu.
»Ich komme nächstes Jahr wieder vorbei«, versprach Klara lächelnd.
Zwar mochte sie die beiden, doch Waldstein war nicht ihre Welt. Außerdem warteten ihre Mutter und ihre jüngeren Geschwister auf sie. Bei Martha mochte es anders sein, denn die ehemalige Leibeigene hatte keine Heimat mehr. Doch hier auf Waldstein würde sie gewiss nicht glücklich werden.
Als Rita und Anton wieder gegangen waren, wollten Klara und Martha sich zum Schlafen zurechtmachen. Da klopfte es erneut an die Tür, und diesmal stand Emma draußen. Zu Beginn hatte die Zofe Klara abgelehnt und schlecht behandelt. Nun aber schloss sie sie unter Tränen in die Arme.
»Ich wünsche euch beiden viel Glück!«, flüsterte sie. »Ihr habt das Licht an dieser düsteren Stätte neu entzündet.«
»Hab Dank für deine guten Worte und auf Wiedersehen!«, sagte Klara und meinte es zu ihrer eigenen Überraschung genau so, wie sie es sagte.
11.
T obias Just wusste nicht, ob er sich nun ärgern oder eher besorgt sein sollte. Spätestens vor einer Woche hätte Klara hier eintreffen müssen, doch bislang wartete er vergebens auf sie. Wenn sie nicht bald kam, würde ihr Onkel vor ihr ankommen. Dabei hatte er den Platz auf dem Markt diesmal ihr zuschanzen wollen, denn ihr Vater hatte in all den Jahren hier gute Geschäfte gemacht. Dies, so hatte er
Weitere Kostenlose Bücher