Die Wanderapothekerin 1-6
Tochter abgängig ist. Die letzten beiden Jahre waren schon schlimm genug.«
Unwillkürlich dachte Tobias daran, dass Alois Schneidt im letzten Jahr eine ganze Woche hier in diesem Gasthaus geblieben war, anstatt nach seinem Neffen zu suchen. Er wischte diesen Gedanken jedoch rasch beiseite und nickte.
»Ich werde alles tun, um Klara zu finden!«
»Euer Vater hätte sie nicht losschicken dürfen! Wenn ich daran denke, was ihr alles zustoßen kann. Sie braucht nur einem Mann begegnet zu sein, der sie ins Gebüsch gezerrt hat, um seine Lust an ihr zu stillen.«
Bei diesen Worten Schneidts stellten sich Tobias’ Nackenhaare auf. An diese Gefahr hätte er ebenfalls denken müssen. Allerdings war Klara nicht allein unterwegs, sondern hatte Martha bei sich. Diese mochte vielleicht nicht so klug sein wie Klara, wusste sich aber in solchen Situationen gewiss besser zu helfen. Trotzdem durfte er nicht hier sitzen bleiben und warten.
»Ich breche morgen in aller Frühe auf. Daher sage mir rechtzeitig, was du brauchst, Schneidt. Der Markt hier hat deinem Bruder immer gutes Geld eingebracht. Also wirst auch du ordentlich verdienen.«
»Ich werde mein Möglichstes tun«, versprach Schneidt, der seinen Bruder stets beneidet hatte, weil dieser seinen Stand hier in Michelstadt hatte aufbauen können. Gerold war das auch gelungen, aber nun würden die Taler in seine Tasche wandern.
Der Wirt beobachtete die beiden Gäste, und es lag ihm bereits auf der Zunge, Tobias zu sagen, er sollte sich selbst auf den Markt stellen. Der Laborantensohn würde gewiss bessere Geschäfte machen als Alois Schneidt. Da er sich den Buckelapotheker aber nicht zum Feind machen wollte, ließ er es sein.
»Brecht Ihr zu Fuß auf, oder wollt Ihr ein Pferd mieten?«, fragte er Tobias. Dieser überlegte kurz.
»Ich nehme ein Pferd. Damit komme ich schneller voran.«
»Wenn Ihr mir Vertrauen schenkt, werde ich Euch eines besorgen«, bot der Wirt an.
»Tut das!«, antwortete Tobias erleichtert und fand gleichzeitig, dass sie sich zu Hause endlich einen Gaul leisten sollten, der sowohl geritten wie auch vor einen leichten Wagen gespannt werden konnte.
13.
N och vor Tau und Tag brach Tobias, von einem Reitknecht des Pferdebesitzers begleitet, auf. Er verging fast vor Angst um Klara, verfluchte das Mädchen aber gleichzeitig, weil es ihm solche Sorgen bereitete. Bereits am Abend vorher hatte er Alois Schneidt die Arzneien für den Markt und für den nächsten Teil der Strecke übergeben. Viel war es nicht gewesen, denn der Mann hatte weniger verkauft, als zu erwarten gewesen war, und so wunderte er sich immer noch, wie Schneidt sich das gute Essen und mehr als einen Becher Wein hatte leisten können. Er selbst trank unterwegs meist Bier, da es billiger war, und aß weitaus häufiger Eintopf als Braten. Dabei hatte sein Vater ihm einiges mehr an Geld mitgegeben, als er in Schneidts Beutel vermutete.
Am Stadttor vergaß er Klaras Onkel wieder und überlegte, welchen Weg er einschlagen musste. Sein Vater hatte ihm eine Liste mit all den Ortschaften auf Klaras Strecke mitgegeben, aber auf dieser Teilstrecke lagen die Ziele sehr verstreut. Daher wusste er nicht, in welcher Reihenfolge Klara einige von ihnen aufsuchen würde, und konnte nur hoffen, sie nicht zu verpassen.
»Ich sollte ihr den Hintern versohlen, weil sie sich auf diese verrückte Sache eingelassen hat«, murmelte er und stellte sich dies bildlich vor.
Ihr Hintern war ansprechend, das hatte er trotz ihrer unkleidsamen Tracht feststellen können. Auch wirkte sie nicht mehr so kindlich wie noch vor drei Jahren, als er sie mit ihrer Familie in Königsee getroffen hatte. Sie hatte sich zu einem ansehnlichen Frauenzimmer entwickelt, und er bedauerte immer mehr, dass er sie seinem Vater nicht als Schwiegertochter ins Haus bringen konnte.
»Du bist ein Narr, Tobias!«, schalt er sich. »Klara ist keine Frau für dich, und für eine Liebschaft ist sie zu schade.«
Der Gedanke, dass sie möglicherweise einen Fritz Kircher heiraten würde, den er für zu dumm hielt, um bis drei zählen zu können, gefiel ihm nicht. Gleichzeitig begriff er, dass er es nicht wagen durfte, das Mädchen zu berühren. Er wusste nicht, ob er sich dann noch beherrschen konnte.
»Warum musste Gott die Eva erschaffen? Adam hätte doch voll und ganz gereicht«, murmelte er und griff sich an die Seite, so als wäre dort jene bewusste Rippe entnommen worden, aus der die Urmutter der Menschheit erschaffen worden war.
Wenig
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