Die Wanderapothekerin 1-6
gehofft, würde auch ihr gelingen.
Der Wirt trat herein, als Tobias in seinen Grübeleien verstrickt war. »Welche Laus ist denn Euch über die Leber gelaufen, Herr Just? Ihr macht ja ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Dabei scheint draußen die Sonne, und morgen ist Markt. Da findet Ihr hier alles, was Euer Herz begehrt!«
»Genau der Markt macht mir Sorge. Wenn weder Klara noch ihr Oheim früh genug erscheinen, muss ich selbst einen Stand aufbauen und meine Ware verkaufen«, antwortete Tobias.
Zwar traute er sich dies zu, doch das war nicht seine eigentliche Aufgabe. Laut seinem Vater sollte er Klara überwachen, aber diese Anweisung hatte er anscheinend nicht ernst genug genommen. Wenn ihr etwas zugestoßen war, würde er sich für den Rest seines Lebens Vorwürfe machen.
Tobias’ Gedanken beschäftigten sich immer wieder mit dem Mädchen. Zugegeben, sie war sehr hübsch, aber für seinen Geschmack viel zu energisch. Der Mann, der sie einmal heiratete, würde aufpassen müssen, nicht unter den Pantoffel zu geraten.
Unterdessen fand der Wirt, dass ein Krug seines guten Bieres die Laune des Gastes verbessern würde, und stellte einen vor Tobias hin. »Wohl bekomm’s! Eure Leute werden schon noch auftauchen. Ist ja erst Mittag vorbei. Da fällt mir ein – habt Ihr schon gegessen?«
»Ja, ich …« Tobias musste überlegen, ob er es schon getan hatte, und schüttelte dann den Kopf. »Nein, habe ich noch nicht. Ich war mit meinen Gedanken zu sehr bei meinen Leuten.«
Vor allem bei Klara, dachte er und ärgerte sich noch mehr über sie. Am liebsten hätte er sich erneut ein Pferd geliehen, um ihr entgegenzureiten. Doch da war dieser verdammte Markt, auf dem der Stand aufgebaut werden musste. Wenn Klara oder Alois Schneidt nicht am selben Tag noch erschienen, blieb diese Arbeit an ihm hängen.
Der Wirt brachte Brot und Braten sowie ein Salzfass und setzte sich zu ihm. »Ihr schafft das schon, Herr Just. Ich erinnere mich noch gut daran, wie Euer Vater einst als Buckelapotheker hier durchgezogen ist. Hat es zu etwas gebracht, meine ich. Ist immerhin Laborant und kann nun selbst Balsamträger für sich laufen lassen.«
»Gelegentlich erzählt Vater von jener Zeit. Im Winter hat er die Arzneien angefertigt und sie im Sommer ausgetragen. Damals konnte er noch keine Kiste zu einem Wirt oder einem Posthalter schicken, sondern kam ein- bis zweimal nach Hause zurück, um neue Heilmittel zu holen«, erzählte Tobias und vergaß Klara für den Augenblick.
Da auch der Wirt einige Schnurren aus jenen Tagen von sich gab, verging die Zeit rasch. Als Tobias das nächste Mal auf die Uhr sah, war es bald drei Uhr am Nachmittag. Sein Teller war leer, sein Bierkrug ebenfalls, und so rief der Wirt nach seiner Magd.
»Bring Herrn Tobias einen frischen Krug und mir auch!«
»Der geht aber auf meine Rechnung«, sagte Tobias, dem viel daran gelegen war, das gute Verhältnis zu dem Wirt zu erhalten. Der Mann war zuverlässig wie nur selten einer, und es hatte nie Beschwerden gegeben, dass er die Kiste mit den Arzneien an einer Stelle lagerte, an der diese verderben konnten.
»Auf Euer Wohl!«, sagte er und hob seinen Krug.
Der Wirt stieß mit ihm an und grinste. »Auf das Eure, Herr Tobias! Und darauf, dass Ihr morgen auf dem Markt erfolgreich sein werdet. Wenn Ihr Hilfe braucht, um einen Stand zu errichten, sagt es mir. In meinem Schuppen liegt genug Zeug für ein halbes Dutzend Stände.«
»Einer reicht mir«, antwortete Tobias und stellte dann eine Frage, die ihm plötzlich in den Sinn kam.
»Wie war das eigentlich im letzten Jahr? Damals ist ja Gerold Schneidt auf den Spuren seines Vaters für uns gewandert.«
»Ein braver Bursche, möchte ich meinen«, sagte der Wirt. »War nicht ganz so knauserig wie sein Vater, gegen den ich aber um Gottes willen nichts sagen will. Er war halt ein wenig sparsam, der Martin Schneidt. Doch das Geld zum Fenster hinausgeworfen hat der Junge auch nicht. Sein Oheim ist da schon anders. Kam auf dem Rückweg wieder vorbei, um den Neffen zu suchen, der unterwegs verlorengegangen ist. Blieb eine ganze Woche hier und hat dabei nicht mit Braten und Wein gespart.«
»Alois Schneidt hat sich hier eine ganze Woche aufgehalten?«, fragte Tobias verwundert.
»Als ich ihm sagte, dass sein Neffe von hier weitergezogen wäre, meinte er, dann könne er nichts machen, und bestellte sich einen Krug meines besten Weines.«
Tobias war wie vor den Kopf geschlagen und wollte kaum glauben, was ihm der
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