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Die Wanderapothekerin 1-6

Die Wanderapothekerin 1-6

Titel: Die Wanderapothekerin 1-6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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geschah. Doch lass uns nach hinten gehen. Ich will nicht, dass jemand, der hier hereinplatzt, etwas davon erfährt. Herr Pulver kehrt erst heute Abend zurück, und Lisa ist bei einer Tante. Wir sind also unter uns.«
    Mit diesen Worten führte er Tobias in eine kleine, saubere Kammer, in der nur ein Bett und eine alte Truhe standen.
    »In der sind meine wenigen Reichtümer, nämlich ein Ersatzhemd und zwei Paar Socken, die Lisa mir gestrickt hat«, erklärte Gerold. »Setz dich drauf! Einen Stuhl kann ich dir leider nicht anbieten.«
    »Erzähl, was geschehen ist«, forderte Tobias ihn auf.
    »Ich bin vor einem Jahr sehr gut durchgekommen und hatte nur noch drei oder vier Tage zu gehen, um Gernsbach zu erreichen, da geschah es«, begann Gerold leise.
    »Waren es Räuber?«
    Gerold verzog das Gesicht wie unter starken Schmerzen, hatte sich aber gleich wieder in der Gewalt. »So kann man es nennen! Es war ein Räuber. Er lauerte mir auf, schlug mich hinterrücks nieder und warf mich in eine Schlucht. Wahrscheinlich glaubte er, ich wäre bereits tot. Aber dazu hatte er nicht gut genug getroffen. Trotzdem hätte es ausgereicht, mir den Garaus zu machen, denn ich hatte mir beim Sturz in die Schlucht das rechte Bein und ein paar Rippen gebrochen. Zwar habe ich verzweifelt versucht, von der Stelle fortzukriechen, doch ich hatte noch das zerbrochene Reff auf dem Rücken und konnte es nicht abstreifen. Verzeih, ich bin ein schlechter Gastgeber! Willst du etwas trinken?«
    Der abrupte Themenwechsel verwirrte Tobias, doch er schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe noch meinen Weinkrug im Gasthaus stehen. Allerdings wird mein Reitknecht, wie ich ihn kenne, diesen leeren!«
    »Du bist zu Pferd und hast einen Reitknecht bei dir?«, rief Gerold verwundert aus, denn Tobias’ Vater hatte zumindest bis zum letzten Jahr kein eigenes Pferd besessen.
    »Ich habe den Zossen geliehen, und der Reitknecht gibt acht, dass ich nicht samt dem Tier auf Nimmerwiedersehen verschwinde. Aber sprich weiter. Wie wurdest du gerettet?«
    »Durch Lisa Pulver, die Tochter des hiesigen Apothekers. Sie hat Pilze gesucht, und nahe der Stelle, an der ich lag, wachsen die schönsten Steinpilze. So hat sie mich entdeckt. Ein anderes Mädchen wäre davongelaufen und hätte mich liegen gelassen, doch sie ist ein Engel und hat mir, da ich vor Durst halb umgekommen war, Wasser von einer Waldquelle gebracht. Dann sorgte sie dafür, dass ich geholt und in die Stadt gebracht wurde. Ihr Vater war zunächst nicht davon angetan, doch Lisa hat sich durchgesetzt, und so ließ er mich bleiben. In gewisser Weise kann sie genauso hartnäckig sein wie Klara.«
    Gerolds Augen leuchteten und verrieten Tobias, dass die Apothekertochter großen Eindruck auf seinen Freund gemacht hatte. Dennoch stellte sich für ihn eine Frage.
    »Weshalb hast du keinen Brief geschrieben? Deine Mutter und deine Geschwister wären sehr erleichtert gewesen, wenn sie gewusst hätten, dass du noch lebst.«
    »Kannst du mir sagen, wie ich das hätte bewerkstelligen sollen? Ohne Geld nehmen die Postreiter der Herren zu Thurn und Taxis keine Briefe mit – und es gibt keine Fuhrleute, die diese weite Strecke fahren. Ich besaß nichts mehr, nur meine Hose, mein Hemd und meinen Rock, und die hatten während der Wanderschaft und durch den Sturz gelitten! Zudem lag ich lange Wochen auf dem Krankenlager, und nur Lisas liebevolle Pflege hat mich am Leben gehalten. Als ich wieder halbwegs zu mir kam, war viel Zeit vergangen, und ich nahm an, der Oheim hätte sein Ziel erreicht.«
    »Welches Ziel?«, fragte Tobias verwundert.
    »Du sprichst zu niemandem außer Klara und Mutter ein Wort! Versprochen? Wenn es aufkäme, würde es meiner Familie sehr viel Ärger eintragen.«
    »Versprochen!«, antwortete Tobias und fragte sich, was geschehen sein mochte, weil sein Freund so auf Heimlichkeit bedacht war.
    Gerold Schneidt atmete tief durch und hieb dann verzweifelt auf seinen Beinstumpf. »Wenn ich nur kein elender Krüppel wäre, dann würde ich dich bitten, mich mit nach Hause zu nehmen, damit ich alles so richten kann, wie es sich gehört. Aber der Weg ist zu weit.«
    »Ich helfe dir, nach Hause zu kommen. Wir werden unterwegs genug Fuhrwerke finden, die in diese Richtung fahren. Wenn Klara sich um dich kümmert, müsste es gehen«, bot Tobias an.
    Sein Freund schüttelte den Kopf. »Es wäre zu mühsam, und ich würde euch behindern. Außerdem müsste ich hier nur mit einem ›Vergelt’s Gott‹ als Dank gehen,

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