Die Wanderapothekerin 1-6
und das will ich nicht.«
Die Apothekertochter hielt Gerold zurück, das begriff Tobias. Doch sein Freund stand vor einem ähnlichen Problem wie er. Ein Apotheker mit Bürgerrecht würde seine Tochter niemals einem wandernden Balsamträger geben, dem nicht einmal mehr die Kleider am Leib gehörten. Genauso wenig würde sein eigener Vater Klara als Schwiegertochter akzeptieren.
»Was willst du hier noch erreichen?«, fragte er.
»Was soll ich zu Hause tun? Spanschachteln schnitzen, das Dutzend zu einem halben Groschen?« Gerold schüttelte heftig den Kopf. »Nein, mein Freund! Ich kehre nicht nach Katzhütte zurück. Entweder gelingt es mir, mein Glück hier am Schopf zu packen, oder …« Diese Möglichkeit ließ er unausgesprochen, sondern fasste Tobias bei der Schulter und zog ihn näher zu sich heran, so als hätte er Angst, jemand könnte sie belauschen.
»Es geht um einen Schatz, Tobias. Seinen Wert kenne ich nicht, doch er muss etliche hundert Taler wert sein. Mein Vater und mein Oheim haben ihn vor vielen Jahren auf ihrer Wanderschaft gehoben. Während mein Vater seinen Anteil versteckt hat, verkaufte mein Oheim den seinen heimlich. Doch das Gold brachte ihm kein Glück. Sein erstes Weib starb im Kindbett, und er brach sich das Bein, so dass er ein Jahr lang nicht auf Wanderschaft gehen konnte. Um sein Privileg nicht zu verlieren, musste er einen Ersatzmann bezahlen, der wenig mehr nach Hause gebracht hat, als er selbst kostete. Kurz darauf hat mein Oheim Tante Fiene gefreit, die ihm nur die eine Tochter geboren hat.
Mein Vater war nach all dem Pech, das seinen Bruder getroffen hat, der festen Überzeugung, der Schatz sei verflucht. Daher wollte er nicht, dass sein Teil je benützt würde. Doch ich glaube nicht an Flüche! Die Frau meines Oheims wäre auch so gestorben. Vielleicht hätte Alois sich nicht das Bein gebrochen, denn er soll laut meinem Vater damals teuren Wein im Übermaß getrunken haben. Auf jeden Fall war sein Anteil irgendwann erschöpft, und seitdem versucht er, an das Gold meines Vaters zu gelangen. Der Oheim muss von meinem Vater erfahren haben, dass meine Mutter weiß, wo es versteckt ist.« Gerold verstummte für einen Augenblick und senkte den Kopf.
Dann sah er Tobias mit einem verzweifelten Ausdruck an. »Mich hat kein Räuber überfallen, sondern mein eigener Oheim! Er tauchte plötzlich meilenweit von seiner Strecke entfernt auf und bedrängte mich, ihm den Schatz zu überlassen. Als ich mich weigerte, schlug er zu. Ich sah noch seinen Stock auf mich zukommen und erwachte erst wieder unten in der Schlucht. Da war mein ganzes Geld weg!«
Tobias war so schockiert, dass er zunächst nichts sagen konnte. Erst nach einer Weile fragte er, ob dies die Wahrheit wäre.
Mit trauriger Miene nickte Gerold. »Leider ja! Und ich fürchte, dass der Oheim in seiner Gier nach dem Gold auch meinen Vater getötet hat. Und jetzt schwebt Klara in höchster Gefahr! Wenn sie stirbt, kann niemand mehr den Oheim aufhalten. Er wird die Mutter zwingen, ihm das Gold zu überlassen, und ihr von je zehn Talern, die er dafür bekommt, nur einen oder gar einen halben abgeben.«
»Das wäre ein Schurkenstück! Aber das werden wir ihm eintränken. Wehe, Klara geschieht etwas, dann reiße ich ihn mit meinen eigenen Händen in Stücke!«
Gerold wunderte sich über die heftige Reaktion seines Freundes, sagte aber nichts dazu, sondern fasste nach Tobias’ Hand. »Seit ich wieder auf den Beinen bin, war ich überzeugt, der Oheim hätte sein Ziel bei meiner Mutter erreicht. Da Klara jedoch Vaters Strecke geht, scheint es nicht der Fall zu sein.«
»Das glaube ich auch nicht. Euer Verwandter hat sich wahrscheinlich an Klara die Zähne ausgebissen. Wie du selbst gesagt hast, kann sie ein arger Sturkopf sein.«
Das warme Lächeln um Tobias’ Mund passte so gar nicht zu diesen harschen Worten. Ihm gefiel Klara so, wie sie war, und er wünschte sich mehr denn je, sie wenigstens ein Mal in den Armen halten zu können.
Gerolds Gedanken schlugen andere Wege ein. »Dieser Schatz ist unser Verhängnis, solange wir ihn besitzen! Es wäre das Beste, wenn er verkauft wird und meine Geschwister und ich uns das Geld teilen. Ich weiß nur nicht, wie man das bewerkstelligen kann.«
»Da gibt es gewiss Möglichkeiten«, sagte Tobias. »Am einfachsten wäre es, so zu tun, als hätten wir ihn frisch gefunden, und geben Fürst Ludwig Friedrich den ihm als Landesherrn zustehenden Anteil. Mindestens die Hälfte bliebe dann für
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