Die Wanderapothekerin 1-6
auf die Gäule gesetzt und seid die halbe Nacht durchgeritten. Deswegen haben wir nicht die geringste Ahnung, wo wir uns jetzt befinden.«
»In den Ort, aus dem wir euch geholt haben, können wir euch schlecht zurückbringen. Wir werden euch daher an einer Stelle nicht weit davon abladen, so dass ihr leicht weiterkommt. Richtet eure Sachen zusammen! Vielleicht schafft ihr es bis zum Abend in eines eurer Dörfer.«
»Und wenn nicht, dürfen wir im Wald übernachten«, meinte Martha nicht gerade begeistert.
De Matthieux lachte leise auf. »Das ist nun einmal Schicksal, wenn man auf Reisen ist. Doch ich will jetzt sehen, was der Arzt mit meinem Kommandeur macht.«
»Verhindert, dass er ihn zur Ader lässt!«, beschwor Klara den Leutnant noch einmal.
Martha sah ihm nach und wandte sich an ihre Freundin. »Heute haben wir noch gut gegessen, doch morgen gibt es wieder trocken Brot.«
»Dann sollten wir ein paar von den Vorräten hier einpacken und mitnehmen. De Matthieux sagte doch, dass wir das tun sollen!« Klara zwinkerte ihrer Freundin munter zu und brachte diese zum Lachen.
»Allmählich lernst auch du, dass man die Augen offen halten muss, um nicht zu kurz zu kommen. Ich müsste sonst ein paar Fische zum Frühstück fangen, und das mag gewiss der Grundherr nicht.«
6.
E ine Weile wieselte der badische Arzt diensteifrig um den verletzten Oberst herum. Dann aber drückte ihn ein körperliches Problem, und er ließ sich zu den Latrinen führen. De Matthieux nutzte seine Abwesenheit aus, Klara und Martha in de Thornés Zelt zu holen, damit die Mädchen sich von dem Oberst verabschieden konnten.
Ihr Patient wirkte nachdenklich, als er ihnen die Hand reichte. »Ich habe zwar Achtung vor der Gelehrsamkeit des Arztes, dennoch wäre es mir lieber, wenn ihr beide mich weiterhin pflegen könntet. Ihr habt auf jeden Fall die sanfteren Hände.«
»Der Arzt würde es nicht dulden«, antwortete Klara gepresst. »Daher ist es besser, wenn wir jetzt aufbrechen. Lebt wohl und werdet gesund! Verbietet aber auf jeden Fall dem Arzt, Euch zur Ader zu lassen. Ihr habt bereits genug Blut verloren.«
»Ich werde es mir merken«, antwortete de Thorné mit einem nachsichtigen Lächeln. Auch wenn er mit seinen beiden Pflegerinnen sehr zufrieden war, erleichterte es ihn doch, sich ab jetzt in der Obhut eines erfahrenen Arztes zu wissen.
»Macht es gut!«, sagte er und winkte Klara und Martha noch einmal zu.
Da schoss Héraud ins Zelt. »Der Arzt kommt zurück!«, meldete er.
»Dann sollten wir aufbrechen. Lebt wohl!« Klara verließ das Zelt und schlug einen Bogen, um dem Arzt aus dem Weg zu gehen. Martha folgte ihr ein wenig langsamer.
»Eine Belohnung hätte der Oberst uns schon geben können«, meinte sie enttäuscht.
»Ich bin froh, dass wir mit heiler Haut davongekommen sind«, gab Klara zur Antwort und ging weiter zu der Stelle, an der bereits drei Reiter darauf warteten, um sie aus dem Lager zu schaffen.
Leutnant de Matthieux schwang sich ebenfalls in den Sattel und übernahm die Spitze. Sie verließen das Lager und ritten im leichten Trab nach Norden. Klara hielt sich an dem Soldaten fest, auf dessen Pferd sie saß, und fühlte sich erleichtert. Nun konnte sie den letzten Teil ihrer Strecke hinter sich bringen und nach Gernsbach wandern. Tobias und ihr Onkel warteten gewiss schon seit ein paar Tagen auf sie. Da sie jedoch von ihrem Vater gehört hatte, dass dieser bis zu zwei Wochen auf den Bruder hatte warten müssen, war dies wohl nicht schlimm. Es konnte immer etwas das Weiterkommen behindern, sei es eine Überschwemmung, eine eingestürzte Brücke, ein Erdrutsch oder ein anderes Ereignis. Die Hauptsache war, dass Martha und sie heil ihr Ziel erreichten.
Gleichzeitig fragte Klara sich, was sie mit ihrer Begleiterin anfangen sollte. Zwar war Martha gewitzt, doch sie traute ihr nicht zu, sich auf eigene Faust durchs Leben zu schlagen. Irgendwann würde ein Grundherr sie mit seinen Fischen oder Hasen in der Hand erwischen, und dann erging es ihr schlecht. Aber was würde sein, wenn sie Martha mit nach Hause nahm? Würde diese erneut zu Tobias unter die Bettdecke schlüpfen und ihn Dinge mit ihr tun lassen, die ebenso sündhaft wie unanständig waren?
Klara fühlte sich so entzweigerissen wie selten zuvor in ihrem Leben. Immerhin vertraute Martha ihr und hatte ihr auf ihrem Weg brav geholfen. Daher konnte sie ihre Freundin nicht aus kleinlicher Eifersucht davonjagen wie einen alten Hund.
Ich habe gar kein Recht, auf
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