Die Wanderapothekerin 1-6
ihm ein Winter mit Gerstenbrei und dünnem Bier bevorstehen, und ein Brathähnchen würde er höchstens riechen, wenn er Rumold Just aufsuchte, um diesen zu bitten, bis zur nächsten Wanderung als Destillateur bei ihm arbeiten zu dürfen.
»Vergiss die Spende nicht!«, forderte der Mönch ihn auf.
»Ich habe bezahlt, was nötig ist. Mehr gibt es nicht! Damit Gott befohlen!«
Schneidt wandte dem Mönch den Rücken und widmete sich seinem Weinkrug. Dabei fiel ihm siedend heiß ein, dass er auf dem Rückweg sehr sparsam würde leben müssen, wenn er nicht das Geld angreifen wollte, das er für die Arzneien des nächsten Jahres benötigte.
Beinahe hätte er über sich selbst gelacht. Sobald er den Schatz in Händen hatte, würde er niemals mehr als Wanderapotheker durch die Lande ziehen müssen. Mit diesem Gedanken bestellte er sich den nächsten Krug.
Der Mönch begriff, dass er nicht mehr erreichen konnte, und ging. Unterdessen waren neue Gäste eingetroffen, darunter auch ein Fuhrmann, der nun am Nebentisch das große Wort schwang. Unwillkürlich lauschte Alois Schneidt dem Mann.
»Was die Räuber angeht, so müsst ihr zwei der Schlimmsten nicht mehr fürchten! Der Galljockel und der Knüppelpeter haben beide etwas zu sehr mit Seilers Tochter getanzt.«
Schneidt riss es herum. »Was sagst du da?«
Zufrieden mit dem Aufsehen, das er erregte, wandte der Fuhrmann sich ihm zu. »Den Galljockel und den Knüppelpeter hat es erwischt. Die beiden wollten gerade zwei junge Frauen überfallen, als ein paar Männer diesen zu Hilfe geeilt sind. Mit einem davon habe ich gesprochen. Er ist der Reitknecht eines Posthalters, von dem ich manchmal Ersatzpferde nehme. Ein Schlag und ein Stoß, sagte er, und die beiden Schufte lagen am Boden.«
»Und die Frauen, was ist mit denen?«, fragte Schneidt.
»Die konnten ihren Weg fortsetzen, nachdem sie ihren Schrecken überwunden hatten«, berichtete der Fuhrmann und wunderte sich über das entsetzte Gesicht des Wanderapothekers.
Für Schneidt war diese Auskunft eine Katastrophe. Wenn das stimmte, hatte Klara überlebt. Mit dem Geld, das sie bisher eingenommen hatte, würde sie den Winter gemütlich überstehen, während er selbst kaum das Nötigste mit nach Hause bringen würde. Ihn packte die nackte Wut. Er hatte nicht seinen Bruder und seinen Neffen umgebracht, um an einem Mädchen zu scheitern! Außerdem war Klara noch nicht in Gernsbach eingetroffen, und das konnte heißen, dass sie unterwegs doch umgekommen war. Sollte dieses kleine Biest jedoch noch leben, würde er ihr eigenhändig das Genick brechen!
Einen Augenblick lang verzog er das Gesicht zu einer höhnischen Grimasse. Es hatte auch sein Gutes, dass seine Nichte den Räubern entkommen war, denn nun bekam er das Geld, das sie bei sich trug. Es würde ihn auch für den Raub entschädigen, den der Mönch eben an ihm begangen hatte.
Zufrieden, weil er nun wieder selbst Herr seiner Entscheidungen und Taten war, winkte Alois Schneidt die Tochter des Wirts heran und befahl ihr, ihm einen weiteren Krug Wein zu bringen. Als sie damit zurückkam, hielt er sie auf.
»Weißt du, ob meine Nichte schon angekommen ist? Sie müsste in deinem Alter sein und trägt auf dem Rücken ein Reff wie das meine.«
Die junge Frau schüttelte sofort den Kopf. »Nein, das wüsste ich.«
Sehr gut!, kommentierte Schneidt im Stillen. Nun konnte er Klara entgegengehen und sie an einem abgelegenen Ort abpassen. Er wollte die Wirtstochter bereits wegschicken, als ihm noch etwas einfiel.
»Ein junger Mann aus meiner Heimat wollte ebenfalls hierherkommen. Er heißt Tobias Just!«
»Der war schon hier!«, berichtete das Mädchen. »Ein hübscher Bursche, wenn du mich fragst. Aber der hat sich gestern ein Pferd geliehen und ist wieder weggeritten, weil er jemanden suchen wollte.«
Gewiss die Klara, durchfuhr es Schneidt, und er begriff, dass ihm ein Wettrennen bevorstand, wer von ihnen das Mädchen als Erster erreichen würde. Dann aber wischte er diesen Gedanken mit einer so heftigen Geste von sich weg, dass er seinen Weinkrug umstieß.
Die Wirtstochter nahm sofort einen Lappen und wischte den Tisch trocken. »Du kannst von Glück sagen, Schneidt, dass du dir nur einen kleinen Krug hast füllen lassen. Ein großer hätte die halbe Gaststube überschwemmt.«
Einige Gäste lachten, doch Alois Schneidt achtete nicht auf sie. Um Tobias Just musste er sich keine Gedanken machen, sagte er sich. Der war genauso ein grüner Junge, wie sein Neffe Gerold
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