Die Wanderapothekerin 1-6
zusammenpassten. Neid empfand sie keinen, denn sie glaubte, sich selbst ihr Glück verschaffen zu können. Sollte es nicht Fritz Kircher sein, so gab es gewiss andere junge Männer in Schwarzburg-Rudolstadt, denen ein hübsches Mädchen wie sie ins Auge stechen konnte, zumal sie mittlerweile ein erkleckliches Sümmchen besaß, welches die Mitgift so manch anderen Mädchens übertraf.
14.
M artha und Tobias wussten, dass Klara stur sein konnte, und so war es auch jetzt. Als sie ihr den Vorschlag machten, die Orte, die sie als Wanderapothekerin aufsuchen sollte, einfach am Wegrand liegenzulassen, protestierte sie.
»Es ist meine Aufgabe, die Arzneien zu verkaufen! Die Menschen warten teilweise schon seit zwei Jahren auf einen Wanderapotheker, weil mein Bruder sie im letzten Jahr nicht mehr aufsuchen konnte. Ihr könnt ja derweil bei Gerold bleiben und warten, bis ich zurückkomme.«
»Du glaubst doch nicht, dass ich dich allein ziehen lasse!«, rief Martha aus. »Doch vorher musst du die Tragriemen erneuern lassen. Die Stellen, an denen ich sie zusammengeknotet habe, drücken arg auf die Schultern!«
»Das werde ich tun«, versprach Klara, während Tobias etwas vor sich hinmurmelte, das wie »verdammte Weiber!« klang. Im Grunde seines Herzens war er jedoch stolz auf Klara, die ihre Pflichten ernst nahm und nicht einfach beiseiteschob.
Schon bald war er dankbar für die Pausen, die er dadurch erhielt. Seine Wunde und der damit verbundene Blutverlust schwächten ihn so sehr, dass er spöttisch meinte, ihm könne sogar eine alte Frau davonlaufen. Während Klara und Martha ihre Arzneien verkauften, saß er meistens daneben und sah ihnen zu. Dabei bewunderte er Klara von Tag zu Tag mehr. Auch wenn ihre Miene den ganzen Tag über ernst blieb und sie unterwegs immer wieder in Tränen ausbrach, hatte sie sich in den Dörfern in der Gewalt und verkaufte mehr von ihren Essenzen und Balsamen, als er für möglich gehalten hätte.
Die Nacht verbrachten sie im Heuschober eines Bauern, den sie mit ein wenig Medizin für sein Vieh bezahlten. Vorher sah Klara noch einmal nach Tobias’ Wunde und versorgte diese. Ihre Finger waren kühl und sanft, und Tobias erinnerte sich daran, dass er sich eine Verletzung gewünscht hatte, um von ihr gepflegt zu werden. Die Wirklichkeit war noch schöner als seine Träume. Ein wenig bedauerte er dennoch, durch Wunde und Verband behindert zu sein, denn er hätte sich gewünscht, Klara richtig festhalten zu können. Sein linker Arm lag jedoch in einer Schlinge, und er konnte das Mädchen auch nicht so an sich drücken, wie er es am liebsten getan hätte.
Mit diesen Gedanken schlief er ein und träumte davon, immer wieder niedergeschlagen oder mit einem Messer verwundet zu werden. Doch jedes Mal erschien Klara als rettender Engel und holte ihn von der Schwelle des Todes zurück.
Klaras Träume hingegen endeten tragischer. In diesen hielt der Onkel sie gepackt, drückte sie unter Wasser und ertränkte sie. Dabei rief er höhnisch lachend, dass der Schatz endlich sein wäre.
Als sie am nächsten Morgen erwachte, wunderte sie sich, dass sie noch lebte. Immer noch müde, raffte sie sich auf, sah nach Tobias und war erleichtert, weil das Wundfieber ausgeblieben war. Nun konnten sie unbesorgt weiter zu der Stadt wandern, in der ihr Bruder lebte. Dort würde sie Tobias in Gerolds Obhut zurücklassen und sich auf das letzte Wegstück machen.
»Worüber denkst du nach?«, fragte Tobias, als er Klaras ernste Miene sah.
»Über dies und das«, antwortete sie ausweichend.
»Ich werde zur Bäuerin gehen und schauen, ob wir ein wenig Morgensuppe und Brot bekommen!« Dies erschien Martha wichtiger, als darüber nachzudenken, was später sein konnte. Sie wusch sich am Brunnen und trat dann ins Haus.
»Einen guten Morgen!«, grüßte sie die Bäuerin, die gerade die Morgensuppe im Kessel rührte.
»Willst wohl betteln, was?«, fragte die Frau unfreundlich. Dann aber nahm sie doch eine irdene Schüssel, füllte ein wenig Suppe hinein und schnitt einen Kanten Brot ab.
»Hier! Mehr kriegt ihr nicht.«
»Vergelte es dir Gott«, antwortete Martha fröhlich.
Zwar besaßen sie noch eigene Vorräte, doch sie fand, dass ein guter Morgen mit einer Suppe beginnen sollte. Sie trug die Schüssel und das Brot zu Klara und Tobias, die mittlerweile die Scheune verlassen hatten.
»Greift zu! Es ist nicht viel, aber immer noch mehr als nichts«, meinte sie zu den beiden.
»Das ist aber lieb von der Bäuerin«, fand
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