Die Wanderapothekerin 1-6
ihr Onkel sein Reff hiergelassen habe.
»Das hat er!«, antwortete Bolland. »Ich habe es auch gut aufgehoben. Er will ja den Rest seiner Waren übermorgen auf dem Markt verkaufen.«
»Das werde wohl ich übernehmen müssen«, sagte Klara leise. »Mein Oheim wird nicht hierher zurückkehren.«
»Schade! Er hätte gewiss eine größere Zeche gemacht als ihr beide. Was wollt ihr essen, Braten oder Eintopf?«
Klara überlegte kurz, bevor sie Antwort gab. »Braten, Herr Bolland. Wir haben unser Ziel erreicht und sollten dies ein wenig feiern.«
»Solange ihr nicht zu lustig werdet und meine Gäste auf falsche Gedanken bringt, soll es mir recht sein!« Bolland lachte und rief seiner Tochter zu, Klara und Martha in eine Kammer zu bringen, in der sie die nächsten zwei Tage bleiben konnten.
»Kommt aber rasch zurück, denn ich schneide euch den Braten auf«, rief er noch und machte sich ans Werk.
Klara fand die Kammer arg klein, doch sie verfügte über ein Bett, das breit genug für sie und Martha war, sowie eine feste Tür und sogar einen Riegel, mit dem man sie versperren konnte. »Das gefällt uns«, sagte sie zu Bollands Tochter.
»Hier haben dein Vater und dein Onkel immer geschlafen, wenn sie sich nach ihrer jeweiligen Strecke hier getroffen haben«, berichtete die junge Frau und verließ die Kammer wieder.
»Jetzt waschen wir uns Gesicht und Hände, essen und kümmern uns um das Reff des Oheims. Wie es aussieht, scheint er um einiges mehr mitgebracht zu haben als wir.« Klara nickte Martha kurz zu und trat dann ebenfalls auf den Flur.
Bollands Braten schmeckte ausgezeichnet, und sein Wein war so süffig, dass Klara Martha zuletzt bremsen musste. Ihre Freundin war bereits ein wenig betrunken, und so brachte sie diese in die Kammer. Zuerst meckerte Martha darüber, schlief aber dann, vom Wein überwältigt, ein und schnarchte leise vor sich hin.
Ein paar Augenblicke sah Klara ihr zu, dann holte sie das Reff ihres Onkels und sah dessen Arzneien durch. Es war so viel, dass sie sich nicht vorstellen konnte, das Ganze auf dem Markt verkaufen zu können. Sie fragte sich, was sie mit dem Rest und vor allem mit dem Reff tun sollte. Der Gedanke, es leer bis in die Heimat mitschleppen zu müssen, gefiel ihr zwar nicht, doch sie konnte es nicht einfach wegwerfen und so tun, als hätte sie nichts gesehen. Außerdem hatten ihre Tante und ihre Cousine ein Anrecht auf den Erlös, den sie auf dem Markt erzielen würde, denn der übrige Verdienst ihres Onkels war mit diesem im Fluss versunken.
17.
A ls Klara an den Platz kam, den ihr der Marktaufseher zugewiesen hatte, entdeckte sie als Erstes den Theriak-Händler, der sie in Kronach so sehr geärgert hatte. Der Mann grinste frech, als er sie erkannte, und machte eine verächtliche Handbewegung in ihre Richtung.
Ohne ihn zu beachten, stellte Klara das Reff ihres Onkels ab, sortierte die Schachteln und Flaschen auf einen kleinen Tisch, den sie sich von Bolland ausgeliehen hatte, und zwinkerte Martha unternehmungslustig zu. »Das dort ist der angebliche Doktor Melampus aus Kronach, von dem ich dir erzählt habe«, raunte sie der Freundin ins Ohr.
»Dem werden wir einheizen, das verspreche ich dir!«, antwortete Martha mit einem Lächeln, das nur eine sehr naive Person freundlich genannt hätte. Sie half Klara, alles so weit herzurichten, nicht ohne die ersten Marktbesucher im Blick zu behalten.
Sofort begann der Theriak-Händler, sein Gebräu mit lauter Stimme anzupreisen. Klara und Martha schwiegen, bis sich eine Handvoll Neugieriger um den Theriak-Stand versammelt hatten und probierten.
»Der Theriak mundet ausgezeichnet! Wenn alle Medizin so schmecken würde, könnten die Apotheker sich vor Kundschaft nicht mehr retten«, rief ein Mann begeistert.
Obwohl er seinen guten Rock trug, hingen an diesem ein paar Hobelspäne und brachten Martha auf die richtige Spur. Sie ging auf ihn zu und sprach ihn an.
»Ihr seid gewiss ein guter Tischler, nicht wahr?«
»Das will ich meinen!«, antwortete der Mann mit einem gewissen Stolz.
»Darf ich Euch etwas fragen?«, fuhr Martha fort.
»Nur zu!«
»Wenn Ihr in Eurer Werkstatt steht und einen Tisch fertigt, so verwendet Ihr doch gewiss verschiedene Werkzeuge.«
»Aber natürlich!«, antwortete der Tischler. »Ich benötige eine normale Säge, eine Gehrungssäge, Bohrer, Hobel, Stemmeisen und noch einiges andere.«
»Dann wundert es mich, dass Ihr glaubt, alle Krankheiten des Körpers mit einem einzigen Mittel heilen zu
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