Die Wanderapothekerin 1-6
Weibsstück gleich abstechen sollen, anstatt sie am Leben zu lassen, um mich mit ihr zu vergnügen«, stieß er hervor.
Nur weil Martha ihn mit einem Holzschuh getroffen hatte, war es Klara gelungen, ihn durch ihre hinterhältigen Hiebe gegen die gebrochenen Rippen abzuwehren und unter Wasser zu drücken. Die Stelle tat jetzt fürchterlich weh, und gleichzeitig revoltierte sein Magen gegen das geschluckte Wasser.
Mühsam drehte Alois Schneidt sich so, dass er seinen Magen entleeren konnte, ohne dabei zu ersticken. Danach ging es ihm so schlecht, dass er zu sterben wünschte. Lange hielt dieses Gefühl jedoch nicht an. Er lauschte, vernahm aber keinen Laut und vermutete, dass Klara und Martha bei dem toten Tobias waren.
Die Gelegenheit muss ich ausnutzen, sagte er sich und zerrte trotz seiner Schmerzen an den Fesseln. Wenn er den Strick loswurde und sich schnell genug in die Büsche schlug, konnte er die Heimat vor Klara erreichen. Dort würde er seiner Schwägerin den Schatz abschwatzen und damit auf Nimmerwiedersehen verschwinden.
Seine Brust tat bei jeder Bewegung grässlich weh, aber Schneidt biss die Zähne zusammen, um nicht zu schreien. Wenn Klara und Martha ihn hörten, bevor er sich befreit hatte, würden sie ihn noch fester binden und womöglich sogar umbringen. Im nächsten Augenblick bemerkte er, dass die Leine an seinen Handgelenken ein wenig nachgab.
Gleich bin ich frei!, durchfuhr es ihn, und er verstärkte seine Bemühungen. Um besser atmen zu können, wälzte er sich auf die unverletzte Körperseite, bemerkte aber nicht, dass er nun direkt an der Kante des Steilufers lag. Er richtete sich mühsam auf, um an die Knoten zu gelangen, zog sich aber unter einer neuen Schmerzwelle zusammen und fiel haltlos zurück. In dem Augenblick brach der Lehm der Böschung unter ihm ab.
Alois Schneidt rutschte in den Fluss und geriet sofort in die Strömung. Sein Mund und seine Nase füllten sich mit Wasser, und er begriff mit entsetzlicher Klarheit, dass er den Schatz seines Bruders niemals besitzen würde.
13.
K lara hatte Tobias gerade fertig verbunden, als sie das Geräusch vernahm, mit dem ihr Onkel ins Wasser stürzte. Sofort lief sie ans Ufer, sah aber nichts mehr von ihm. Ohne zu zögern, sprang sie in den Fluss, um nach ihrem Onkel zu suchen. Doch die Wellen hatten Alois Schneidt längst fortgetragen. Klara gab erst auf, als die stärker werdende Strömung und die Felsen flussabwärts sie dazu zwangen. Es war nicht leicht, aus dem am Rock und an den Beinen zerrenden Wasser zu kommen, und so war Klara froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Dann aber brach sich die ganze Aufregung in ihr Bahn, und sie sank schluchzend zu Boden.
Martha stützte Tobias, der unbedingt zu Klara wollte, um sie zu trösten. Während er Klara streichelte und ihr gut zusprach, betrachtete ihre Begleiterin zufrieden den Fluss.
»Wenn ihm der Teufel nicht geholfen hat, ist er ersoffen!«
»Aber das wollte ich nicht«, sagte Klara leise.
»Hättest du lieber zugesehen, wie er gehängt wird?«, fragte ihre Freundin herb.
»Nein, das nicht! Ich …« Klara versuchte, die Tränen zurückzuhalten, doch es gelang ihr nicht.
Tobias legte den rechten Arm um sie. »Vielleicht ist es besser so. Es hätte viel Wirbel gemacht, wenn er vor Gericht gestellt worden wäre. So werden die Leute annehmen, er wäre ein Opfer wüster Räuber geworden. Und was noch wichtiger ist – niemand wird deine Mutter, deine Geschwister und dich schief ansehen, weil ihr die Verwandten eines Mörders seid.«
Martha entdeckte nun Alois Schneidts Hut, der am Ufer liegen geblieben war, hob ihn auf und schleuderte ihn in die Wellen. »Du gehörst zu deinem Besitzer!«, rief sie, wandte sich dann Klara zu und schüttelte den Kopf.
»Jetzt bist du schon wieder nass geworden! Los, zieh dich aus! Bei dem kühlen Wind holst du dir noch was. Ich mache ein Feuer, an dem du dich wärmen kannst. Wir haben auch noch etwas Mundvorrat, und auf den Schreck können wir einen Bissen vertragen.«
»Mir wird allein beim Gedanken an Essen übel«, antwortete Klara niedergeschlagen.
»Das gibt sich, wenn du dir das erste Stück Speck zwischen die Zähne schiebst.« Martha wollte nicht, dass Klara sich ihrer Verzweiflung hingab. Daher suchte sie trockenes Holz, entzündete ein wenig dürres Gras und brannte damit das Lagerfeuer an. Anschließend schimpfte sie mit Klara, weil diese noch immer in ihren nassen Kleidern steckte, und begann, sie
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