Die Wanderapothekerin 1-6
Klara und zog ihren Löffel heraus. Tobias besaß keinen, und Martha grinste etwas verlegen.
»Du wirst uns deinen Löffel leihen müssen, denn der meine ist bei der Flucht vor deinem Onkel verlorengegangen. Dafür darfst du auch als Erste mit dem Essen anfangen.«
Klara nickte und nahm die Schüssel entgegen. Während sie aß, wusch Tobias sich mit einer Hand das Gesicht und rubbelte dabei auch ein wenig an seinen Zähnen herum.
»Du brauchst einen Schafgarbenstengel oder ein Stück weichen Holzes dafür«, rief Klara ihm zwischen zwei Bissen zu.
»Gerold hat sicher etwas zu Hause«, antwortete Tobias und äugte hungrig zu ihr hin. Da hörte Klara zu essen auf und trat neben ihn. »Entweder setzt du dich, oder ich muss dich im Stehen füttern!«
»Ich kann selbst essen«, protestierte Tobias.
»… und schüttest womöglich die Suppe aus, weil du die Schüssel nicht festhalten kannst. Also hab dich nicht so!«, erwiderte Klara.
Diesmal blieb Tobias fest. »Ich löffle selbst. Du kannst mir den Napf halten.«
»Also gut! Aber lass etwas für Martha übrig. Immerhin haben wir die Suppe ihr zu verdanken!« Zum ersten Mal seit dem Tod des Onkels stahl sich der Anflug eines Lächelns auf Klaras Lippen.
Tobias sah sie an, ohne zu essen. »Du bist wunderschön!«, flüsterte er. »Hätte ich nicht diese dumme Wunde, würde ich dich immerzu küssen.«
»Das wäre mir doch etwas zu viel. Und nun iss, sonst wird die Suppe kalt!«
»Man merkt, dass du bei den Soldaten warst. Das Befehlen hast du nämlich gelernt.« Tobias lachte und begann zu löffeln. Da er Hunger hatte, musste er sich zuletzt zwingen, aufzuhören, damit noch etwas für Martha blieb.
Diese aß den Rest der Suppe, wischte die Schüssel mit einem Stück Brot aus und brachte das Gefäß der Bäuerin zurück, nachdem sie es am Brunnen gewaschen hatte. Diese sah sie kurz an und spottete. »Ich dachte schon, die Schüssel hätte Füße bekommen. Aber ihr Balsamträger seid doch ein ehrliches Volk!«
»Das sind wir«, erklärte Martha und übte in Gedanken Verzicht auf das Hühnchen hinter dem Hof, dem sie am liebsten den Kragen umgedreht hätte, um es mitzunehmen.
15.
T obias war froh, als sie das Stadttor vor sich sahen. Nur noch wenige hundert Schritt, dachte er, dann konnte er sich endlich ausruhen. Der Stich in der Brust schmerzte wieder stärker, und er fühlte sich leicht fiebrig.
Da er sich nichts anmerken lassen wollte, zwinkerte er Klara zu. »Bald sind wir bei Gerold. Er wird sich freuen, dich zu sehen, denn er hat sich große Sorgen gemacht, als er hörte, dass du heuer seine Strecke gehen würdest.«
»Ich bin so froh, dass er noch lebt!« Erneut kamen Klara die Tränen. Sie wischte sie jedoch resolut ab und trat auf die Torwachen zu.
»Mein Name ist Klara Schneidt, und ich trage heuer für Herrn Rumold Just die Arzneien aus.«
»Du machst das?«, rief einer der Männer überrascht.
»Hier ist mein Pass, fein säuberlich ausgestellt und gestempelt vom Amt Königsee im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt!« Klara wollte ihm das Papier geben, doch der Torwächter winkte ab.
»Ich glaub dir auch so. Hast dir wohl Begleitung mitgenommen, nachdem der letzte Wanderapotheker unter die Räuber geraten ist.«
»Das war mein Bruder!« Klaras Stimme klang ernst.
Der Wächter senkte betroffen den Kopf. »Nichts für ungut, ich … Ihr könnt passieren!«
»Vergelt’s Gott«, sagte Martha, da Klara ihren Gedanken nachhing. Sie zupfte die Freundin am Ärmel und brachte sie dazu, weiterzugehen.
Klara stützte Tobias, der sich nach einem Platz sehnte, an dem er ausruhen konnte. »Das dort ist die Wirtschaft, in der ich vor ein paar Tagen übernachtet habe. Die Apotheke ist nur einen Steinwurf davon entfernt«, erklärte er.
Mit einem flauen Gefühl im Magen ging Klara weiter, half Tobias die wenigen Stufen zur Tür der Apotheke hoch und trat mit ihm zusammen ein. Beim Klang der kleinen Glocke zuckte sie zusammen und klammerte sich an Tobias fest.
Es dauerte ein wenig, bis jemand in den Verkaufsraum kam. Das Klonk, Klonk, das dabei erklang, verriet, dass derjenige eine Krücke verwendete.
Gerold humpelte herein, sah drei Personen und erkannte als Ersten Tobias.
»Hast du sie gefunden?«, rief er noch vor einem Gruß.
Tobias trat ein wenig zurück, so dass Gerold seine Schwester sehen konnte.
»Klara! Oh, wie bin ich froh, dich gesund und munter zu sehen.« So schnell er konnte, eilte Gerold zu seiner Schwester und schloss sie in die
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