Die Wanderapothekerin 1-6
»Wenn ihr es unbedingt wollt, lasse ich das Reff hier. Aber nun zu etwas anderem: Ich habe in Gernsbach ein wenig Geld für Tante Fiene und Reglind eingenommen …«
»Das lässt du hier bei Gerold! Es ist das wenigste, was euer Oheim euch schuldet«, erklärte Tobias. »Was seine Frau und seine Tochter betrifft, so sollen die beiden erst einmal beweisen, dass sie unseres Mitleids und unserer Mildtätigkeit wert sind.«
Er hatte mit Gerold über die Verwandten gesprochen und wenig Gutes über sie gehört. Sollten Fiene Schneidt und Reglind sich bessern, war er bereit, ihnen zu helfen. Wenn nicht, würde den beiden das Schicksal drohen, welches Alois Schneidt seiner Schwägerin angekündigt hatte, nämlich der Verlust der Heimat und das Los, als Bettlerinnen durch die Lande ziehen zu müssen.
»Sobald ich mich gut genug fühle, werden wir aufbrechen. Du solltest Gerold die Louisdors des französischen Obristen geben! Mit denen kann er sich das Bürgerrecht dieser Stadt erkaufen und seine Lisa heiraten«, fuhr Tobias fort.
Als er mit dem Apotheker gesprochen hatte, war es ihm gelungen, das beste Ergebnis für seinen Freund herauszuholen. Eigentlich hatte Pulver warten wollen, bis Gerold die Prüfung durch den Stadtphysikus bestanden hatte. Nun aber war der Apotheker bereit, einer rascheren Heirat zuzustimmen. Auch hatten ihn einige der Heilmittel, die Rumold Just anfertigte, so überzeugt, dass auch er sich eine Kiste davon schicken lassen wollte.
Tobias erläuterte Klara diese Neuigkeiten und berichtete auch, dass er auf der gesamten Reise Erfolg gehabt hatte. Sein Vater würde im nächsten Jahr etliches an Arzneien an städtische Apotheker liefern können. Damit, so sagte er sich, hatte es sich doppelt gelohnt, mit Klara gezogen zu sein.
Klara sah, dass er stolz auf seine guten Geschäfte war und guten Gewissens vor seinen Vater treten konnte. Ehe sie ihm sagen konnte, wie sehr sie sich darüber freute, nahm ihre zukünftige Schwägerin sie in Beschlag.
Lisa Pulver wollte unbedingt Gerolds Lieblingsgerichte erfahren und wissen, wie diese zubereitet wurden. In den nächsten Tagen kamen die drei Frauen kaum aus der Küche heraus. Martha wollte ebenfalls lernen, wie in bürgerlichen Kreisen gekocht wurde, denn sie hoffte auf eine passende Heirat, durch die sie eine neue Heimat finden konnte.
Als es Tobias nach ein paar Tagen besserging, drängte Klara zum Aufbruch. Während Tobias nickte, sah ihr Bruder sie enttäuscht an. »Ich hatte gehofft, ihr würdet wenigstens bis zu meiner Hochzeit bleiben. Es sind doch nur noch vier Wochen bis dorthin!«
»Ich würde gerne«, antwortete Klara leise. »Doch es ist schon spät im Jahr, und Mama wird sich mit jedem Tag, den ich länger ausbleibe, mehr Sorgen machen.«
»Klara hat recht!«, sprang ihr Tobias bei. »Eure Mutter hat erlebt, wie der eigene Mann nicht mehr zurückkam und im Jahr darauf der Sohn. Es würde ihr das Herz brechen, müsste sie glauben, dass auch Klara nicht wiederkehrt. Daher sollten wir morgen aufbrechen und rasch reisen. Wir besuchen euch im nächsten Jahr, dann aber ohne Reff!«
Das Letzte galt Klara, die ihrem Reff immer noch nachtrauerte.
»Es tut mir leid, dass ihr nicht bleiben wollt, doch ich kann es verstehen«, sagte Lisa traurig. Sie legte einen Arm um Gerold, der nun auf eine leichtere Krücke gestützt neben ihr stand. »Freuen wir uns auf das nächste Jahr! Vielleicht kommt dann auch deine Mutter mit. Ich würde sie so gerne kennenlernen.«
»Wenn ich Mama das sage, wird sie mitkommen!« Klara lächelte und umarmte zuerst Lisa und dann ihren Bruder. »Morgen wollen wir früh aufbrechen und den Abschied nicht schmerzvoll hinausschieben.«
»Wann immer es geht, werden wir auf Fuhrwerken und Bauernkarren mitfahren«, erklärte Tobias munter. »Den ganzen Weg bis Königsee will ich nicht auf eigenen Beinen laufen.«
Er brachte damit alle zum Lachen, auch den Apotheker selbst, der aus seinem Labor herausgekommen war.
Der Abschied tat weh, aber in einem war Klara froh: Sie würde der Mutter und den Geschwistern berichten können, dass Gerold noch am Leben war. Dies war ihr mehr wert als das Geld, das sie auf der Reise eingenommen hatte und das nach Tobias’ Einschätzung die Summe übertraf, die ihr Vater in normalen Jahren und ihr Onkel in seinen besten verdient hatten.
Da die drei unbeschwert reisen konnten, kamen sie gut voran. Klaras Strecke hatte im Bogen zunächst westwärts und schließlich nach Süden geführt, aber Tobias
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