Die Wanderapothekerin 1-6
können! Für einen Schnitt oder einen Riss braucht man eine andere Arznei als für einen schmerzenden Magen oder Atemnot in der Brust.« Martha lächelte sanft und wies dabei auf den Theriak. »Ich will diesem Likör nicht absprechen, dass er bei einer oder zwei Krankheiten ein wenig hilft, doch könnt Ihr ihn weder auf eine Wunde schmieren noch schmerzende Glieder damit einreiben.«
»Da hast du recht!«, stimmte ihr der Tischler zu und ging unwillkürlich zu Klaras Stand weiter. »Mich plagt gelegentlich ein Reißen in der Schulter. Hast du etwas dagegen?«
Klara nickte eifrig. »Da habe ich den ägyptischen Lebensbalsam oder diese Essenz hier, die man ebenfalls einreiben kann! Wenn Ihr probieren wollt?«
»Lasst das lieber! Das ist doch nur der Brei von Kraut und Rüben«, bellte der Theriak-Händler, doch der Tischler kümmerte sich nicht um ihn.
Nun sammelten sich auch andere um Klaras Stand und ließen sich von dieser ihre Arzneien erklären. Sie kauften einiges, und so nahm Klara ein hübsches Sümmchen ein, das ihrer Tante und ihrer Cousine helfen konnte, mit einer gewissen Sparsamkeit den Winter zu überstehen.
Der Theriak-Händler gab sich nicht geschlagen, sondern hetzte gegen sie und spottete über ihre Salben und Tränke. Da drehte sich Klara zu ihm um und wies mit dem rechten Zeigefinger auf ihn.
»Du preist ein angebliches Wundermittel an. Ich hingegen verkaufe Arzneien, die, so Gott will, den Kranken helfen können. Diese Essenz aus Kamille, Pfefferminze, Anis und Bibernelle hilft bei anhaltendem Husten, diese hier gegen den Durchfall bei kleinen Kindern, diese Salbe gegen unreine Haut …«
»Gegen unreine Haut? Die muss ich haben!«, rief eine junge Frau mit etlichen Pusteln im Gesicht.
Auch andere Frauen wollten von dieser Salbe, und so wurde der Topf rasch leer.
Während Klara sich vor Kundschaft kaum retten konnte, kaufte nun nur noch gelegentlich jemand ein kleines Fläschchen Theriak. Klara hielt sich nicht für nachtragend, freute sich aber über das dumme Gesicht, das der Theriak-Händler nun zog. Seine ganze Frechheit war verflogen, und er flehte die Menschen, die von ihr kamen, förmlich an, auch ihm etwas abzukaufen. Der Tischler tat es, weil, wie er sagte, der Theriak gut schmecken würde. Mehr Geld aber gab er bei Klara aus. Zuletzt kam sogar der Apotheker zu ihr, um an einigen ihrer Mittel zu riechen.
»Ein paar Arzneien könnte ich sogar für meine Apotheke brauchen«, meinte er. »Ich habe bereits mit Herrn Tobias Just gesprochen. Er will mir eine Kiste zukommen lassen.«
»Das wird er auch tun!«, versprach Klara, überwältigt von ihrem Erfolg.
Da sie diesen zu einem gewissen Teil Martha zuschrieb, beschloss sie, ein Viertel des hier erzielten Gewinns der Freundin zu geben. So sehr lag ihr die Verwandtschaft nicht am Herzen, zumal die Summe, die für diese blieb, immer noch weit über jener lag, die nach den Worten ihres Vaters auf diesem Markt zu erzielen war.
18.
A m Tag darauf machten Klara und Martha sich auf den Rückweg. Hatten sie bis Gernsbach noch mehrere Tage gebraucht, legten sie die Strecke bis zu Gerolds Wohnsitz nun, da sie keine Umwege mehr gehen und nichts mehr verkaufen mussten, innerhalb eines Tages zurück. Das Reff des Onkels nahmen sie mit. Doch kaum sah Tobias das Ding, winkte er energisch ab.
»Das bleibt hier! Ebenso das deine!«
»Aber ich brauche es nächstes Jahr wieder! Mir ein neues machen zu lassen, kommt zu teuer. Ich …«, rief Klara, wurde aber von ihrem Bruder unterbrochen.
»Ich habe alles mit Tobias ausgemacht und auch einen Brief an Mutter geschrieben, den du ihr überbringen sollst. Du wirst dein Reff nicht mehr benötigen, und der Oheim ist es nicht wert, dass du dich seinetwegen damit belastest. Sein Reff ist eben zusammen mit ihm verschwunden.«
»Du und Tobias, ihr stellt euch das alles zu leicht vor. Sein Vater wird ihm den Gedanken, mich zu heiraten, rasch austreiben. Deshalb brauche ich mein Reff, um mich im nächsten Jahr erneut auf die Wanderschaft machen zu können«, protestierte Klara.
Ihr Bruder schüttelte den Kopf. »Die beiden Reffs bleiben hier. Ich habe es so beschlossen.«
Bevor Klara eine harsche Antwort geben konnte, mischte sich Tobias ein. »Wenn mein Vater wirklich gegen unsere Heirat sein sollte, kaufe ich dir ein neues Reff. Das ist ein Versprechen!«
Da er dabei grinste, glaubte Klara ihm nicht. Sie spürte aber, dass sie ihren Bruder nicht verärgern durfte, und nickte mit verkniffener Miene.
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