Die Wanderapothekerin 4: Gift (German Edition)
Hände von uns. Anders als du würden wir Ihre Erlaucht ganz sicher verletzen«, antwortete die Mamsell.
»Aber ich weiß doch gar nicht, wie ein Kind liegen muss!«
»Der Kopf muss als Erstes kommen!«, erklärte Rita, die zu Hause die Geburt mehrerer Geschwister miterlebt hatte. Mit diesem Wissen leitete sie Klara an, was diese tun sollte, und eine halbe Stunde darauf war das Kind da.
Klara hatte noch nie ein so kleines Wesen gesehen, doch es lebte und war unzweifelhaft männlichen Geschlechts. »Das wird etliche Mehlklöße vertilgen müssen, um richtig groß zu werden«, sagte sie erleichtert.
»Oh Gott!«, stieß da die Mamsell aus. »In der ganzen Aufregung haben wir vergessen, uns nach einer Amme umzusehen. Hoffentlich finden wir rasch eine Frau, die erst vor kurzem geboren hat.«
»In dem Fall wäre der Rat der Hebamme gewiss förderlich«, wandte Rita ein. »Lange haben wir nämlich nicht Zeit. Der Kleine sieht hungrig aus und braucht Milch.«
»Wir haben doch Kühe auf dem Wirtschaftshof. Lassen wir uns von dort Milch holen«, schlug die Zofe vor.
Klara schüttelte den Kopf. »Kuhmilch soll für Neugeborene nicht gut sein, habe ich sagen hören. Wenn es notwendig ist, sollte man die Milch einer Ziege nehmen. Aber viele Kinder mögen die nicht.«
»Wir können doch den neuen Grafen Waldstein nicht mit Ziegenmilch füttern!«, protestierte die Mamsell.
Als sie Klaras erstaunten Blick sah, fuhr sie fort: »Da sein Vater tot ist, ist der Knabe vom Augenblick seiner Geburt an der Graf und Herr von Waldstein.«
»Jetzt braucht er erst einmal Milch, und wenn ihr keine Amme für ihn habt und ihn auch nicht mit der Milch einer Ziege füttern wollt, wird Ihre Erlaucht selbst sich seiner annehmen müssen«, erklärte Klara.
Die Mamsell funkelte sie empört an. »Ihre Erlaucht kann doch ihren Sohn nicht an die Brust legen wie eine Kätnerin!«
»Wenn sie nicht will, dass er verhungert, wird ihr wohl nichts anderes übrigbleiben.«
Klara war erschöpft und müde. Außerdem verstand sie das Getue der feinen Herrschaften nicht, die ihre Kinder wildfremden Weibern anvertrauten, damit diese sie stillten.
»Sieh zu, ob du auf dem Wirtschaftshof Ziegenmilch erhältst«, wies die Mamsell Rita an.
Nachdem die Küchenmagd das Zimmer verlassen hatte, wandte sie sich ihrer Herrin zu. »Wenn Seine Erlaucht die Milch einer Ziege nicht mag oder sie nicht verträgt, werdet Ihr überlegen müssen, ob Ihr ihn nicht selbst nährt. Doch wenn, soll es so geschehen, dass niemand außer Emma und mir Euch dabei sieht.«
Gräfin Griselda schüttelte es bei dieser Vorstellung, doch sie war zu schwach, um gegen diese Zumutung zu protestieren. Auch sagte sie sich, dass ihr Kind leben musste, um jeden Schatten eines Verdachts von Graf Ludwig zu nehmen. Daher nickte sie mit steinerner Miene und wies alle außer der Mamsell an, sich zu entfernen.
10.
D ie Geburt des Grafensohns erwies sich für Klara als Vorteil, denn die Aufmerksamkeit aller Bediensteten richtete sich nun auf das Kind. Zudem kehrten die Mägde und Diener, die aus Angst vor dem Gift geflohen waren, auf das Schloss zurück und taten ihre Arbeit wie ehedem. Selbst für Martha blieb daher nicht mehr viel zu tun, obwohl man Rita aus der Küche geholt und zur Kindsmagd ernannt hatte. Zwei Tage später fand man auch eine Amme für den Kleinen, und so konnte Gräfin Griselda die ihr unangenehme Aufgabe, das Kind zu stillen, dieser überlassen.
Unter all den Menschen, die nun das Schloss bevölkerten, fühlten sich Klara und Martha mehr und mehr als Außenseiter. Da Emma mittlerweile zwei Helferinnen erhalten hatte, waren auch Klaras Dienste nicht länger vonnöten. Am dritten Abend nach der Geburt saß sie mit Martha zusammen in der kleinen Kammer am Ende des Flurs, in die man sie umquartiert hatte, weil der andere Raum gebraucht wurde, und bereitete ihr Reff für die Weiterreise vor.
»Ich habe einiges hier im Schloss verbraucht, ohne dass es mir bislang ersetzt worden ist«, sagte sie missmutig zu ihrer Freundin.
»Du musst die Mamsell darauf ansprechen und ihr die Summe nennen«, riet Martha.
Klara nickte verbissen. »Das werde ich morgen früh tun. Vielleicht können wir gleich anschließend weiterziehen. Wir haben schon zu viel Zeit verloren.«
»Herr Tobias wird gewiss auf uns warten«, versuchte Martha, sie zu beruhigen.
»Und wenn er es nicht tut und seinem Vater berichtet, wie unzuverlässig ich bin? Das kann mich die Strecke für nächstes Jahr kosten. Der
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