Die Wanderapothekerin 4: Gift (German Edition)
»Vor allem aber bin ich eine Wanderapothekerin, und Herr Just verlässt sich auf mich. Wir müssten längst weitergezogen sein! In den nächsten Tagen müsste ich mich mit Herrn Tobias treffen, doch wie es aussieht, wird er vergeblich auf mich warten und mich für ein unzuverlässiges Ding halten. Der Bote, den Triberg mir versprochen hat, ist nämlich nicht losgeschickt worden.«
Klara spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Auch wenn sie Tobias, seit er Martha in seine Kammer gelassen hatte, für einen elenden Liederjan hielt, sollte er doch einen guten Eindruck von ihr gewinnen. Immerhin ging es um das nächste Jahr, in dem sie ebenfalls die Strecke ihres Vaters bewältigen musste. Sollte Tobias zu Hause jedoch berichten, sie wäre nicht die richtige Person dafür, konnte dies ihre Familie das Anrecht kosten, Justs Arzneien zu verkaufen. Damit aber würde ihr jüngerer Bruder die Aussicht auf einen Beruf verlieren, der ihn und seine Familie ernähren konnte. Ihm blieb dann nur noch, als Holzknecht, Pechsammler oder Köhler zu arbeiten, und das waren keine Gewerbe, in denen man es zu einem bescheidenen Wohlstand bringen konnte. Auch ging es um sie selbst, die Mutter und die kleine Liebgard, die dann nur noch mühsam vom Sammeln und Ziehen der Kräuter leben oder im schlimmsten Fall auf Taglohn gehen mussten.
»Ich werde es schaffen«, stieß sie hervor, »und wenn wir uns heimlich aus dem Schloss schleichen müssen!«
Dabei wusste sie selbst, dass dies keine Lösung war. Würde sie dies wirklich tun, bestand die Gefahr, dass Gräfin Griselda ihr verbieten würde, im nächsten Jahr auf den Besitztümern der Waldsteins Arzneien zu verkaufen.
»Wenn ich nur wüsste, wie ich dir helfen kann«, stöhnte Martha. »Ich muss hier auch ganz schön schuften, weil die Mamsell niemanden untätig herumstehen lässt.« Martha klang verdrossen, denn ebenso wie Klara erhielt sie keinen Lohn, wurde aber gescholten, wenn ihr die Arbeit nach Ansicht der Mamsell nicht schnell genug von der Hand ging.
»Gebe Gott, dass wir dieses Schloss bald verlassen können«, antwortete Klara und hob den Kopf. »Emma klingelt nach mir! Ich muss wieder zu Ihrer Erlaucht.« Sie stand auf, umarmte Martha kurz, um sie zu trösten, und eilte dann in die Gemächer der Gräfin.
Wie erwartet wollte Griselda von Waldstein Nachthemd und Morgenrock wechseln und gewaschen werden. Da sie mittlerweile in der Lage war, sich selbst zu erheben und sogar einen Augenblick an einen der Pfosten ihres Himmelbetts gelehnt zu stehen, fiel diese Arbeit den Pflegerinnen leichter als früher. Dafür aber musste sie viel öfter getan werden.
Die Gräfin bestand darauf, dass auch die Bettwäsche gewechselt wurde. Da Emma sie stützen musste, blieb diese Aufgabe an Klara hängen. Zwar half ihr eines der Zimmermädchen, stellte sich aber so ungeschickt an, dass sie alles noch einmal strammziehen und glatt streichen musste. Danach galt es, die Gräfin aus dem alten Morgenrock und ihrem Hemd zu schälen und sie vorsichtig mit einem weichen, porösen Ding zu waschen, wie Klara es vorher noch nie gesehen hatte. Das Wasser durfte dabei nicht zu heiß, aber auch nicht zu kalt sein und der Seifenschaum nicht in die Augen der Herrin dringen.
Klara hatte gehört, dass hohe Herrschaften sich nur selten wuschen, sondern ihren Körpergeruch mit wohlriechenden Essenzen bekämpften, und wünschte, Gräfin Griselda würde sich an diesen ein Beispiel nehmen. Doch die Herrin auf Waldstein bildete sich ein, der Geruch des Giftes hafte noch an ihr, und wollte diesen loswerden, bevor Baron Ludwig ihre Gemächer betrat.
Während Klara die magere Frau vorsichtig wusch, fand sie, dass diese am Hintern und am Busen leicht zugenommen hatte. Auch ihr schwangerer Leib wirkte nicht mehr so, als hätte man ihn der Frau aufgesetzt. Wie es schien, halfen ihre Mittel zusammen mit dem guten Essen der Gräfin, langsam das Gift zu überwinden.
Die Kranke schien dies ebenso zu sehen, dann sie bestand darauf, ein Nachthemd anzuziehen, das eine gewisse Fülle auf der Brust vortäuschte, und befahl, ihr zwei weitere Kissen in den Rücken zu stecken, damit sie aufrecht sitzen konnte. Dann wies sie Emma an, ihre beste Perücke zu bringen.
»Ich will Herrn Ludwig nicht wie eine Frau empfangen, die an der Schwelle des Todes steht«, erklärte sie.
Emma gehorchte, doch als sie mit der Perücke zurückkehrte, verzog die Gräfin das Gesicht. »Ist ein solcher Kopfputz überhaupt noch in Mode? Ich
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