Die Wanderapothekerin: Alle Teile des Serials in einem Band (German Edition)
Leine, über die sie gestolpert war. Sie holte diese und fesselte Alois Schneidt die Hände auf den Rücken. Da der Strick lang genug war, band sie dem Mann noch die Beine zusammen und ließ ihn auf dem Hochufer zurück.
Unterdessen hatte Klara Tobias erreicht. Das viele Blut, das den Boden um ihn herum färbte, ließ sie das Schlimmste befürchten. Schluchzend kniete sie neben ihm nieder und fühlte seinen Puls.
Zu ihrer Überraschung schlug dieser zwar langsam, aber stetig.
»Er lebt!«, rief sie voller Freude.
Rasch öffnete sie sein Hemd, um nach seiner Wunde zu sehen. Diese blutete noch immer, und so presste sie ein Stück Tuch aus ihrem Reff darauf, um die Blutung zu stillen. Da sie nicht wusste, wie stark die Lunge verletzt war, musterte sie seine Lippen.
Sie waren blass, und seine Atemzüge wurden nicht von einem feinen, roten Nebel begleitet, der auf einen Lungenstich hinweisen würde. Sie berührte seine Lippen mit den ihren, um zu schmecken, ob dennoch Blut austrat.
In dem Augenblick schlug Tobias die Augen auf, empfand die Berührung wie einen Kuss und legte den rechten Arm um Klara. »Für ein solches Erwachen nehme ich selbst Schmerzen in Kauf«, sagte er leise.
»Es ist nicht so, wie du denkst!«, verteidigte Klara sich und wurde dabei so rot wie guter Burgunderwein. »Du bist verletzt, und ich musste untersuchen, wie schwer«, setzte sie hinzu, um ihre Unsicherheit zu überspielen.
»Ich habe das Gefühl, dass mir der Kopf platzt. Außerdem tut meine Brust fürchterlich weh«, stöhnte Tobias.
Klara tastete seinen Kopf ab und traf dabei auf eine prachtvolle Beule. »Es sieht aus, als hätte dein Dickkopf gehalten«, rief sie erleichtert. »Mehr Sorge bereitet mir die Stichwunde auf deiner Brust! Kannst du spüren, wie tief sie ist?«
»Nein!« Tobias atmete tiefer durch und stöhnte. »Es geht hier quer rüber!«
»Wo?«
»Hier!« Er zeigte von der Stelle, an der Schneidts Messer eingedrungen war, seitlich nach außen.
»Seltsam«, fand Klara, während sie jene Essenzen, die ihr bereits bei Colonel de Thorné gute Dienste geleistet hatten, aus ihrem Reff holte und Tobias’ Wunde damit versorgte, bevor sie sie verband. Dabei schüttelte sie lächelnd den Kopf.
»Was ist denn jetzt los?«, fragte Tobias verdattert.
»Du hast wirklich mehr Glück als Verstand! Der Stich hätte tödlich sein müssen, doch die Klinge ist an einer Rippe abgeglitten. Wenn die Wunde richtig verheilt, spürst du sie wahrscheinlich gar nicht mehr.«
»Du wirst schon dafür sorgen, dass sie richtig verheilt«, meinte Tobias mit einem verkrampften Grinsen. »Doch dazu benötige ich die richtige Medizin!«
»Ich habe das Beste von dem genommen, was dein Vater mir mitgegeben hat«, erklärte Klara.
Tobias schüttelte den Kopf. »Die meine ich nicht, sondern die, die du angewandt hast, um mich zu wecken. Bitte tu es noch einmal!«
»Du willst, dass ich dich küsse?«
»Ja!«, kam es bettelnd zurück.
»Glaubst du etwa, du bist die Prinzessin aus dem Märchen, die man Schneewittchen nennt, oder willst du dich in einen Froschkönig verwandeln?« Noch während Klara es sagte, beugte sie den Kopf über den seinen und berührte seine Lippen.
Unterdessen hatte Martha ihren Gefangenen gut verschnürt und gesellte sich zu ihnen. »Sehr schwer scheint Herr Tobias ja nicht verletzt zu sein, wenn ihr beide schon wieder kosen könnt«, meinte sie kopfschüttelnd. »Oder ist er so schwer getroffen, dass du ihm damit den Abschied von dieser Welt erleichtern willst?«
»Weder noch, du Spottdrossel! Herr Tobias ist wirklich verletzt, aber zum Glück nicht lebensgefährlich. Wenn du mir den ägyptischen Balsam reichen könntest, damit ich die Beule auf seinem Kopf einschmieren kann! Vielleicht verschwinden dann auch seine Kopfschmerzen.«
Martha griff in das Reff und reichte Klara die gewünschte Dose.
»Dass Herr Tobias verletzt ist, sehe ich auch. Aber mein Kopf tut ebenfalls weh, und dein Hals sieht aus, als hätte man dich hängen wollen und der Strick wäre dabei gerissen.«
»Sobald Tobias versorgt ist, kümmere ich mich um dich«, versprach Klara.
»Und ich werde deinen Hals einschmieren! Außerdem hast du eine hübsche Beule am Kopf, die ebenfalls nach Salbe schreit«, erklärte Martha mit einem erleichterten Grinsen.
»Ja, tu das!« In ihrer Anspannung hatte Klara die Schmerzen nicht gespürt, doch nun merkte sie, dass sie die Hilfe ihrer Freundin annehmen sollte. Während sie vorsichtig Tobias’ Verletzungen
Weitere Kostenlose Bücher