Die Wanderapothekerin: Alle Teile des Serials in einem Band (German Edition)
den Schatz des Bruders legen konnte, musste er noch drei Menschen beseitigen. Dann würde ihn das Gold zu einem der wohlhabendsten Bürger von Schwarzburg-Rudolstadt machen.
»Halt!«, sagte er sich. »Wenn ich dort bleibe, verlangt der Amtmann einen Anteil für den Fürsten, und den bin ich nicht bereit zu leisten. Da ist es besser, wenn ich die Heimat verlasse und mich an anderer Stelle als reicher Mann ansiedle.«
Ein Geräusch ließ ihn verstummen. Alois Schneidt richtete sich auf, um zu sehen, ob seine Nichte kam. Es war jedoch nur ein Reh, das weiter vorne den Weg querte, um am Bach zu saufen.
Verärgert über die Störung, griff Schneidt nach einem Tannenzapfen und warf ihn auf das Tier. Als es erschrocken das Weite suchte, lachte er hämisch. Dann dachte er daran, dass seine Nichte und ihre Begleiter um diese Zeit wohl bei der Morgensuppe sitzen würden, und sein Magen begann zu knurren.
»Ich hätte mir wenigstens ein Stück Brot einstecken sollen«, murmelte er und betete, dass Klara nicht zu lange auf sich warten ließ. Da sie gewiss auch Mundvorrat mit sich führte, konnte er nach vollbrachter Tat seinen Hunger stillen.
Während er zum Bach ging und ein wenig Wasser trank, dachte er an seinen Bruder. Der hätte nicht zu sterben brauchen, wenn er ihm einen Teil des Goldes abgetreten hätte. Aber Martin war stur geblieben. Sein Neffe hatte sich ebenfalls geweigert, ihm das Gold zu überlassen, und es mit seinem Leben bezahlt. Nun war Klara an der Reihe.
Alois Schneidt wusste nicht, ob er die Toten bedauern sollte. Immerhin waren es seine Verwandten. Dann aber zuckte er mit den Achseln. Er war nicht schuld daran, dass es so gekommen war. Da sein Bruder das Gold nicht für sich selbst hatte nehmen wollen, hätte er es genauso gut ihm geben können. Gerold hätte den Schatz gewiss außer Landes gebracht und wäre von den Aufkäufern genauso übervorteilt worden wie er damals. Heute wusste er, dass er höchstens ein Viertel dessen erhalten hatte, was ihm zugestanden wäre. Dieses Wissen würde nun auch seiner Schwägerin und ihrer restlichen Brut zugutekommen, denn er konnte es sich nicht leisten, als reicher Mann zu leben, während die Verwandtschaft nebenan am Hungertuch nagte.
»Narr!«, sagte er zu sich selbst. »Ich verlasse doch Schwarzburg-Rudolstadt. Da kann es mir gleichgültig sein, ob Johanna und ihre beiden letzten Rangen betteln gehen müssen oder nicht! Es wäre die richtige Strafe für diese Verwandtschaft. Ich hingegen werde reich sein, sehr reich!«
Er sah das Gold förmlich vor sich und streckte die Hände aus, um danach zu greifen. Nur mit Mühe schüttelte er dieses Traumbild ab und achtete wieder auf den Weg, den seine Nichte entlangkommen musste.
Da er es mit drei Leuten zu tun hatte, musste er sich sein Vorgehen gut überlegen. Zwei konnte er aus dem Hinterhalt niederschlagen, doch was war, wenn es der dritten Person gelang zu entkommen?
»Das darf nicht sein!«, murmelte er und sah sich um. Weiter vorne führte der Pfad zwischen zwei Bäumen hindurch, deren dichte Kronen große Schatten warfen. Das brachte ihn auf eine Idee. In seiner Tasche steckte noch die Leine, die er brauchte, um die gewachste Schutzdecke seines Reffs festzubinden. Er nahm die Schnur und spannte sie in Schienbeinhöhe über den Weg. An der düsteren Stelle war das Hindernis kaum zu erkennen, und jemand, der rasch ausschritt, würde es übersehen.
Zufrieden kehrte Alois Schneidt zu seinem Spähposten zurück. Es war keinen Augenblick zu früh, denn er hörte bereits die Stimmen seiner verhassten Nichte und des Lümmels, der sie begleitete. Mit verzerrter Miene wich er in das Gebüsch zurück und hob seinen Knüppel. Mit der anderen Hand griff er in die Tasche und holte sein Messer heraus. Als er es aufklappte, musterte er die Klinge. Sie war länger als eine Handspanne und geeignet, das Herz eines Menschen zu durchbohren. Genau das würde sie in wenigen Augenblicken tun.
11.
K lara konnte kaum glauben, was Tobias ihr erzählt hatte. Ihr eigener Onkel sollte Gerold überfallen und zum Sterben in eine Schlucht geworfen haben? Auch sollte er seinen Bruder, ihren Vater, getötet haben? Und das alles wegen einer oder zwei Hände voll Gold?
»Wir müssen achtgeben, dass er dich nicht auch noch umbringt!«, erklärte Tobias gerade.
Während Klara gedankenverloren schwieg, fauchte Martha aufgebracht. »Mir war der Mann von Anfang an zuwider. Er hat einen so seltsamen Blick, dass ich direkt Angst vor ihm
Weitere Kostenlose Bücher