Die Wanderapothekerin: Alle Teile des Serials in einem Band (German Edition)
und setzte sich, als der Fuhrmann die Peitsche ertönen ließ. Klara wurde durch den Ruck des anfahrenden Fuhrwerks fast umgerissen, konnte sich aber auf den Beinen halten und befestigte ihr Reff dann so zwischen der Ladung, dass es sicher stand. Schließlich setzte auch sie sich und nahm gleich darauf wahr, dass Tobias näher zu ihr hinrückte.
»Lehn dich gegen mich, dann wirst du bei den Schlaglöchern nicht so hin- und hergeworfen«, bot er ihr an.
Klara kniff die Lippen zusammen und hielt sich mit beiden Händen an einer großen Kiste fest, die links vor ihr auf dem Wagen stand.
»Anders wäre es bequemer – und zwar für uns beide«, meinte Tobias, ließ sie aber in Ruhe, als er ihrer abweisenden Miene gewahr wurde.
4.
K lara begriff rasch, dass sie bei weitem nicht so viel über das Gewerbe eines Wanderapothekers wusste, wie sie geglaubt hatte. Den Worten ihres Vaters hatte sie nicht entnehmen können, dass sie zuerst einmal drei Tage lang mit dem Fuhrwerk unterwegs sein würde. Auch die Grenzübertritte gestalteten sich anders, als seine scherzhaften Erzählungen es hatten vermuten lassen. Sie musste jedes Mal vom Wagen absteigen, ihren Pass vorzeigen und die Schachteln und Tongefäße auf ihrem Reff kontrollieren lassen.
Es war kein Trost für sie, dass es ihrem Onkel nicht anders erging. Der Einzige, der halbwegs ungeschoren blieb, war Tobias, der nur mit einem Mantelsack reiste und daher nichts zu verzollen hatte. Sie hingegen musste so manchen Groschen allein für die Erlaubnis bezahlen, das Coburger Land und andere Gebiete durchqueren zu dürfen. Verkaufen durfte sie dort jedoch noch nichts.
Ihre Laune sank immer mehr, zumal auch die Nächte fürchterlich waren. Wenn sie Glück hatte, konnte sie auf einer Schütte Stroh im Stall schlafen. Meist aber musste sie sich auf den Fußboden einer Gaststube legen, mit einem Dutzend anderer Reisender um sich herum, so dass sie hilflos anzüglichen Reden und deren Schnarchkonzert ausgesetzt war. Sie war daher erleichtert, als sie Kronach erreichten, denn von dieser Stadt aus konnte sie endlich ihre Wanderung antreten.
Während Tobias ihr das Reff vom Wagen herabreichte, sah er sie lächelnd an. »Mit etwas Glück wirst du gleich hier deine ersten Heilmittel los! Morgen findet in Kronach ein großer Markt statt, und wir haben das Recht, dort einen Stand aufzubauen. Im letzten Jahr war dein Onkel an der Reihe. Daher ist es jetzt an dir, deine Waren feilzubieten.«
Klara wäre durchaus froh gewesen, mit einem leichteren Reff weiterzuziehen. Aber Tobias sprach sie so überheblich und gönnerhaft an, dass sie ihre Stacheln aufstellte. »Und wo soll ich die Nacht schlafen? Wieder in einer Gaststube, in der du mir die Ohren vollschnarchst?«
Sie wusste selbst, dass sie ungerecht war, denn im Gegensatz zu ihrem Onkel hatte Tobias nie geschnarcht.
Nun wirkte er beleidigt, und sie bedauerte ihre unbedachte Bemerkung. Immerhin hatte er ihr unterwegs stets geholfen und, wie sie ehrlich zugab, ihr Reff öfter als sie auf den Wagen und wieder herabgehoben.
Als sie etwas sagen wollte, kam der Onkel ihr zuvor. »Herr Tobias und ich werden im Gasthaus übernachten. Wenn du es deinem Vater nachmachen willst, musst du dich unters Vordach legen. Das kommt billiger!«
Mit einem boshaften Lachen wandte Schneidt sich an Tobias. »Mein Bruder war arg sparsam, um nicht zu sagen, geizig. Oft hat er bei gutem Wetter im Wald übernachtet, obwohl es ihn nur ein gutes Wort und ein wenig Salbe gekostet hätte, bei einem Bauern unterzukommen.«
Ganz unrecht hatte ihr Onkel nicht, das musste Klara zugeben. Trotzdem war ihr die Art des Vaters zehnmal lieber als die seine. »Was soll falsch daran sein, sparsam zu leben?«, fragte sie bissig.
»Wenn du dich selbst kasteien willst, gerne. Ich tue es nicht!« Mit der Bemerkung wandte ihr Onkel sich ab und ging in Richtung Gasthof.
Klara sah, dass Tobias dem Fuhrmann ein kleines Trinkgeld zusteckte, und überlegte, ob auch sie es tun sollte. Doch als sie an ihre Börse greifen wollte, winkte Tobias ab.
»Lass es gut sein! Er hat genug erhalten.«
»Danke!« Klara senkte den Kopf und nahm ihr Reff auf den Rücken.
Mit einem Kopfschütteln sah Tobias ihr zu, forderte sie aber nicht auf, es ihm zu überlassen, denn in dieser Hinsicht war sie entsetzlich stur.
»Ich würde dir nicht raten, unter dem Vordach zu schlafen. Das tun nur Landstreicherinnen und schlimme Weiber. Dafür sind sie der Belästigung durch alle betrunkenen
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