Die Wanderhure
Schmetterlings gefunden werden, ist ihre Schuld wohl erwiesen.«
Der Leinweber nickte so eifrig wie ein Lehrjunge. »Da habt Ihr Recht, Herr Magister.«
Matthis Schärer schnaubte. »Perlmutt? Pah, so billigen Tand trägt meine Tochter nicht.«
Als seine Gäste aufstanden, um Maries Zimmer aufzusuchen, protestierte Mombert Flühi.
»Das solltest du nicht zulassen, Matthis. Es ist dein Haus, und es ist deine Tochter, die hier so schamlos verleumdet wird.«
Meister Matthis schlug so heftig auf den Tisch, dass es durch das ganze Haus hallte. »Du hast Recht, Mombert. Das brauche ich mir nicht gefallen zu lassen.«
Magister Ruppertus sah den Hausherrn hochmütig an. »Ihr solltet Euch nicht weigern, Meister Matthis, denn sonst müsste ich auf einer Klage vor Gericht bestehen.«
»Dann klagt doch!«, brüllte Meister Matthis den Mann an, den er vor kurzem noch überglücklich an seine Brust gedrückt hatte. Matthis’ Schwager Mombert kämpfte gegen den Alkohol an, der seine Gedanken vernebelte, und schüttelte den Kopf, als wolle er ihn auf diese Weise klären. Ihm gefiel die ganze Sache nicht, und so wandte er sich an seinen Zunftfreund Jörg Wölfling, der immerhin ein Mitglied des Rates der Stadt Konstanzwar. »Unternimm etwas! Der Magister kann doch nicht einfach das Haus durchsuchen lassen, als wäre er der kaiserliche Vogt persönlich.«
»Das anzuordnen wäre eigentlich eine Sache des städtischen Gerichts«, stimmte Meister Jörg ihm zögernd zu.
Bevor er jedoch näher darauf eingehen konnte, stieß Utz Käffli dem Schreiber hinter dem Rücken der anderen auffordernd in die Rippen. Linhard schluckte sichtlich nervös, trat an den Tisch und hob die Hand.
»Verzeiht, meine Herren, aber mein Gewissen …« Er brach ab, atmete tief durch und presste seine nächsten Worte so schnell hervor, dass die übrigen Anwesenden einen Augenblick stutzten, bevor sie die Tragweite seiner Anklage begriffen.
»Ich habe auch mit der Tochter meines Herrn geschlafen!«
Es wurde so still im Raum, dass man eine Nadel hätte fallen hören können.
»Linhard?! Du … du infamer Verleumder!« Matthis Schärer stolperte schwankend auf den Mann zu und wollte ihn bei der Brust packen, doch Utz hielt den Hausherrn fest und drückte ihn unsanft auf seinen Stuhl.
»Glaubst du jetzt immer noch, dass ich lüge?«
Meister Matthis schnappte nach Luft, als hätte sich sein Kragen in eine Würgeschlinge verwandelt, und lief dunkelrot an. Das kann doch nicht sein, dachte er verzweifelt. Meine Marie war doch immer wie ein Engel und hat sich nie für Männer interessiert. Doch konnten der Fuhrmann und sein Schreiber diese Anklagen aus der Luft gegriffen haben? Matthis erinnerte sich, wie hartnäckig Linhard um seine Tochter geworben hatte. Hatte er es deshalb getan, weil sie ihm in irgendeinem Winkel des Hauses gefällig gewesen war? Fragen über Fragen überschwemmten seine Gedanken, und er wusste auf keine eine Antwort. Gleichzeitig breitete sich ein pochender Schmerz in seinem Schädel aus, der ihm schier das Gehirn versengte.
Meister Matthis war so mit sich selbst beschäftigt, dass er gar nicht wahrnahm, wie Magister Ruppertus auf den Vertrag deutete und Jörg Wölfling mit strenger Miene musterte.
»Als Geschädigter bestehe ich darauf, Maries Zimmer auf der Stelle zu untersuchen. Außerdem frage ich die beiden Männer, die ihre Gunst geteilt haben wollen, ob sie bereit sind, ihre Aussagen vor Gericht zu beschwören.«
Utz warf die Arme hoch. »Jederzeit und bei allen Heiligen!«
Linhard starrte einen Augenblick ins Leere, so als müsse er erst sein Gewissen befragen. Dann straffte er die Schultern und hob das Kinn. »Ich bin dazu bereit.«
Auf Utz’ Aufforderung hin brachte der Schreiber eine Talglampe herbei und zündete sie an einer der vielen Kerzen an. Der Mann sah dabei so elend aus, als wäre es seine eigene Tochter, die beschuldigt wurde. »Wir sollten es hinter uns bringen«, sagte er wie zu sich selbst, sah sich aber nur hilflos um, als erwarte er eine Aufforderung.
Meister Jörg nahm ihm schließlich die Lampe ab und wies den anderen den Weg. Vor Maries Kammer blieb er stehen und pochte gegen die Tür. »Mach auf, Kind. Dein Vater will mit dir sprechen.«
Wenig später blickte Marie verschlafen heraus. »Was ist geschehen, Vater?«
»Marie, man hat schlimme Anklage gegen dich erhoben«, erklärte der Leinweber an Matthis’ Stelle.
Das Mädchen sah ihn verständnislos an. »Was wollt Ihr damit sagen, Meister
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