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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Magister Ruppertus, und lasst uns erst einmal über die ganze Sache reden. Ich kenne Marie von Kindheit an und kann mir nicht vorstellen, dass sie unbemerkt von uns allen zur Dirne wurde. Nein, so ein Vergehen traue ich ihr nicht zu.«
    Rupperts Gesicht blieb regungslos wie eine Maske. »Vergehen, sagt Ihr? Was dieses Weib getan hat, ist ein Verbrechen gegen die von Gott gewollte Ordnung und die Gesetze des Kaisers. Wenn eine vordem unbescholtene Jungfrau der Hurerei überführt wird, kann der Mann, dem sie anverlobt wird, sie töten, ohne eine Strafe befürchten zu müssen.«
    Mombert fuhr entsetzt auf. »Das könnt Ihr doch nicht tun!«
    »Ich bin ein Mann der Feder und nicht des Schwertes. Ich lasse das Gericht urteilen. Und nun schafft die Metze endlich weg.«
    Mombert gab sich noch nicht geschlagen. »Aber wenn alles nicht stimmt, wenn Marie doch noch Jungfrau ist …«
    »Das wird sich morgen früh erweisen. Ich lasse sie von einer ehrbaren Matrone untersuchen. Ist sie noch Jungfrau, werden der Fuhrmann und der Schreiber als Verleumder in den Kerker geworfen und angeklagt, während ich meine Hochzeit mit Marie prachtvoll feiern werde.«
    »Dagegen kann man nichts sagen«, fand Meister Jörg. »Magister Ruppertus ist ein mit den Gesetzen vertrauter Mann und weiß, was zu tun ist.«
    »Vater! Nein! Du darfst nicht zulassen, dass man mich wegbringt. Glaubst du wirklich, ich wäre so schlecht, wie diese Lügnerda behaupten?« Maries Stimme klang wie die einer Ertrinkenden.
    Sie begriff die Wendung nicht, die ihr Schicksal genommen hatte, und suchte verzweifelt nach einem Halt. Ihren Vater schien ihre Not nicht zu kümmern, denn er starrte immer noch zu Boden und murmelte unverständliche Worte vor sich hin. Magister Ruppertus aber stand wie ein strafender Engel vor ihr oder vielmehr wie ein böser Geist, dem es Freude zu machen schien, sie zu verdammen. Marie fragte sich verzweifelt, warum er den Aussagen der beiden Männer mehr Glauben schenkte als ihr.
    Sie sah ihren beiden Verleumdern ins Gesicht, um festzustellen, ob sie sich nicht für ihre Lügen schämten. Linhard drehte sofort seinen Kopf weg, Utz aber grinste und ließ seine Zunge zwischen den schadhaften Zähnen spielen. Schnell wandte Marie sich ab, der Mann machte ihr Angst.
    Meister Gero kehrte, kaum dass er weggegangen war, mit einem der Stadtbüttel zurück. »Ich habe Hunold unten in der Gasse getroffen. Es wird wohl reichen, wenn er die Sünderin in den Kerker bringt.«
    Hunold überragte die Männer um ihn herum um mehr als einen Kopf. Seine Arme waren dicker als die Oberschenkel normal gewachsener Männer, und die Muskeln auf seinem Brustkorb glichen armdicken Tauen. Er grinste breit, als erheitere ihn die Situation, und verbeugte sich vor Magister Ruppertus.
    »Immer zu Diensten, edler Herr.«
    »Schaff die Hure da in den Kerker. Ich werde dafür sorgen, dass sie morgen abgeurteilt wird.«
    Hunold streifte Marie mit einem begehrlichen Blick und schüttelte den Kopf.
    »Im Stadtkerker und in der bischöflichen Pfalz sitzen üble Burschen ein. So ein leckeres Vögelchen würde ich denen nicht zum Fraß vorwerfen.«
    Der Magister quittierte den Einwand mit einer ärgerlichen Geste. »Dann sperr sie irgendwo ein, wo sie sicher verwahrt ist.«
    »Zu den Mönchen ins Inselkloster kann ich sie auch nicht bringen. Da bleibt nur noch der Ziegelturm übrig, dessen Keller derzeit leer steht.«
    »Dann schaff sie dorthin.« Der Magister klang gereizt.
    Hunold zog einen Strick aus dem Gürtel, band Maries Arme auf den Rücken und stieß sie Richtung Treppe. Als er sich an ihrem Vater vorbeidrängte, hob Meister Matthis den Kopf, als würde er aus einem bösen Traum erwachen, und hielt ihn fest.
    »Behandle meine Tochter gut und sorge dafür, dass es ihr an nichts fehlt. Ich werde es dir reichlich vergelten.«
    Hunold sah so aus, als schüttele er sich innerlich vor Lachen. »Habt keine Sorge, Meister Matthis. Ich weiß, dass Ihr ein großzügiger Mann seid.«
    Sein Blick wich jedoch dem des Hausherrn aus und blieb herausfordernd auf dem Magister haften. Ruppertus Splendidus nickte unwillig und wies den Büttel mit einer energischen Handbewegung an, das Mädchen wegzuschaffen.
    Mombert atmete tief durch, als wolle er die Alkoholdünste aus seinem Kopf verscheuchen. »Ich begleite euch bis zum Turm.«
    Er verabschiedete sich mit einem unhöflich knappen Gruß von seinem Schwager und den beiden Handwerksmeistern und stieg die Treppe hinab, ohne den Magister und

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