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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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schrie er seinen Knecht schon an, kaum dass er seine Stimme aus der Küche hatte dringen hören. »Selmo, siehst du nicht, dass du gebraucht wirst?«
    Ohne zu zögern sprang der Mann auf und eilte zu ihm. Obwohl er kein Mönch war, trug er auf Befehl des Abtes den Habit eines Benediktinerbruders. Auf diese Weise brachte man ihm mehr Respekt entgegen und stellte ihm auch nur selten Fragen, wenn er für seinen Herrn unterwegs war.
    »Ich fahre gleich nach Maurach hinüber«, erklärte ihm der Abt, als sie das Haus verlassen hatten. »Du begleitest mich zum Hafen, gehst dann zu St. Peter und verharrst dort im Gebet, bis es dunkel ist. Ich will nicht, dass man dich vorher irgendwo in der Stadt sieht. Bei Anbruch der Nacht gehst du zum Ziegelturm und hältst dem Wächter dort das Pergament unter die Nase, das ich dir mitgeben werde, und lässt dir die Böttcherstochter aushändigen. Vergiss aber um Gottes willen nicht, das Pergament wieder mitzunehmen.«
    Der Knecht lächelte wissend. »Ja, Herr, ich weiß. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich einen Auftrag für Euch erledige. Soll ichEuch mit dem Mädchen folgen oder es in Magister Rupperts Haus schaffen?«
    »Natürlich wirst du das Mädchen direkt zu mir bringen. Und lass die Finger von ihr, wenn du nicht meinen Zorn spüren willst.«
    »Aber nein, Herr! Ich würde doch nie eine Frauensperson anrühren, die für Euch bestimmt ist«, antwortete Selmo nicht ganz wahrheitsgemäß. »Aber wenn Ihr genug von ihr habt, werdet Ihr sie mir doch abtreten, nicht wahr?«
    »Sicher! Wenn ich ihrer müde geworden bin, kannst du sie haben. Doch ich glaube, da wirst du dich ein Weilchen gedulden müssen.«
    Der Knecht trottete lachend hinter seinem Herrn her. »Schade, dass Waldkron kein Nonnenkloster ist. Da würde mir das Warten leichter fallen.«
    »Wäre Waldkron ein Frauenkloster, wärest du dort wohl kaum im Dienst, es sei denn als Ackerknecht mit Mist zwischen den Zehen«, spottete der Abt und schwieg dann verbissen, bis sie den Hafen erreichten. Am Kai wies er auf einen Nachen, der etwas abseits vertäut lag.
    »Der Besitzer des Bootes da drüben hat nichts dagegen, des Nachts über den See zu fahren, und er stellt auch keine aufdringlichen Fragen. Er wartet nach Anbruch der Dunkelheit auf dich.«
    »Warum nehmt Ihr das Mädchen nicht gleich mit? Wenn ich mich beeile, könnt Ihr Euer Boot noch bekommen.«
    Der Abt versetzte ihm einen Stoß gegen die Brust. »Stell dich nicht dümmer an, als du bist. Die Gaffer in den Spelunken würden sich die Mäuler zerreißen, wenn ich am hellen Tag mit einer Jungfer am Hafen auftauche und sie auf ein Schiff bringe. Bei Nacht sind alle Katzen grau, und wenn du deine Kapuze überziehst, wird dich keiner erkennen. Beinahe hätte ich etwas vergessen. Hier ist eine Flasche mit Mohnsaft. Flöße ihn dem Mädchen ein, damit es kein Theater macht. Und nimm sicherheitshalbereinen weiteren Mönchsmantel aus der Kirche mit, unter dem du sie verstecken kannst.«
    Der Knecht nahm die Flasche und die Dokumentenrolle entgegen und wanderte dann wie in Kontemplation versunken in Richtung St. Peter. Hugo von Waldkron aber trat auf einen Kahn zu, von dem er wusste, dass er bald nach Meersburg auslaufen würde. Kurze Zeit später saß er mit einigen anderen Passagieren auf einer großen Frachtkiste und lächelte dabei so sanft, wie es sich für einen Diener Christi gehörte.

XIII.
    B ei seinem ziellosen Umherstreifen war Wilmar auf Hugo von Waldkron und dessen Begleiter gestoßen und hatte das selbstzufriedene Grinsen des fetten Mannes bemerkt, welches sich doch stark von der verkniffenen Miene der letzten Wochen unterschied. Zwar hatte er die leise geführte Unterhaltung der beiden Männer nicht verstehen können, aber die Gesten, mit denen der Abt Richtung Ziegelturm gewiesen hatte, waren nicht misszuverstehen. Seine Sorge um Hedwig wuchs, als er die verstohlene Übergabe der Pergamentrolle und eines anderen Gegenstands sah. Wilmar behielt nun Selmo im Auge, der die Abfahrt seines Herrn mit einem spöttischen Gesichtsausdruck verfolgte und dabei mehrfach über die unter seiner Kutte steckende Rolle strich.
    Das Schiff, das der Abt bestiegen hatte, musste mit dem Ablegen warten, bis ein Boot, das nach Lindau fuhr, genug Fahrt aufgenommen hatte, um es nicht zu behindern. Als Wilmars Blick den Lindauer Nachen streifte, sah er Melcher am Heck stehen und auf die Stadt starren. Für einem Moment überlegte Wilmar, wie Melcher wohl an das Geld für die nicht

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