Die Wanderhure
erschlug oder ihm zuhörte.
»Ich muss dringend mit Euch sprechen, Hauptmann. Unter vier Augen.« Es klang so ernst und verzweifelt, dass Michel widerwillig nickte.
»Schickt Mombert dich?«
»Nein, aber es geht um meinen Meister und seine Tochter.« Wilmar sah sich um und suchte einen Ort, an dem er sich Michel mitteilen konnte, ohne dass ein Dutzend Neugieriger ihnen zuhörte. Michel verstand ihn auch ohne Worte, nahm mit der einen Hand seinen Krug und zog Wilmar mit der anderen hinter sich her. Am Fuß der Treppe deutete er nach oben.
»Wir gehen hinauf in meine alte Kammer. Mein Bruder hat dort zwar Logisgäste einquartiert, doch die sind im Augenblick außer Haus. Ich hoffe nur für dich, dass du mir etwas Wichtiges mitzuteilen hast.«
Wilmar nickte nur und stolperte vor Eifer und Aufregung über die eigenen Füße. Oben angekommen berichtete er Michel in kurzen und nicht immer ganz verständlichen Worten von dem Mord an Philipp von Steinzell, der Verhaftung Meister Momberts und der Tatsache, dass später noch andere Büttel aufgetaucht waren und Frieda Flühi und Hedwig mitgenommen hatten.
Michel hatte noch nichts von diesen Ereignissen gehört undfragte mehrfach nach, um sich ein Bild zu machen. Wilmar beschränkte seinen Bericht zunächst nur auf das, was in Mombert Flühis Haus geschehen war, und sah Michel dann flehend an.
Der Hauptmann fluchte. »Mombert Flühi soll den Steinzeller Junker ermordet haben? Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Meister Mombert hat es ganz bestimmt nicht getan. Er brüllte zwar gerne herum, aber er hat niemand wirklich wehgetan. Ich kann mir nicht vorstellen, wie er mit einem um so viel kräftigeren Mann hätte fertig werden sollen. Und wenn er es wirklich gewesen wäre, hätte er den Toten auf den Hof gebracht, wo jeder über den Zaun hätte steigen können, und gewiss auch die Blutspuren im Haus beseitigt.«
»Das ist nicht gesagt. Nicht jeder, der einen Mord begeht, handelt auch hinterher noch so kaltblütig. Trotzdem glaube ich dir. So ein Narr, den Vogt zu holen, während der Tote noch mit seinem Messer in der Brust herumliegt, ist auch Mombert nicht. Er hätte den Steinzeller höchstens dann angegriffen, wenn der Junker versucht hätte, Hedwig Gewalt anzutun. Aber das wäre nicht ohne Lärm und Geschrei abgegangen.«
»Ich habe nichts gehört, obwohl ich in einer Kammer neben der Werkstatt schlafe, von der aus man jedes laute Wort hören kann, das im Flur gesprochen wird. Doch der Mord muss im Flur passiert sein, denn die Haustür war von innen versperrt, wie auch die Tür von der Werkstatt in den Hof.«
»Darauf weiß ich keine Antwort.« Michel kniff die Augen zusammen und überlegte. Die einfachste Erklärung war immer noch die, dass Meister Mombert seinen Gast umgebracht hatte. Aber das glaubte er ebenso wenig wie Wilmar.
Wilmar versuchte sich an jede Einzelheit an diesem Morgen zu erinnern. »Ich denke, Philipp von Steinzell ist an einem anderen Ort ermordet und heimlich in Meister Momberts Haus gebracht worden.«
»Dann müsste jemand aus dem Haus dem Mörder die Tür geöffnetund später die Riegel wieder vorgelegt haben. Das ist wenig wahrscheinlich.«
Wilmar schnaufte und hob mit einem Ruck den Kopf. »Melcher könnte das getan haben! Der zeigte so ruhig auf die Leiche, als hätte er schon mehr als einen Toten gesehen, und wies den Hilfsvogt auch gleich auf Meister Momberts Messer hin, das noch in der Wunde steckte. Vielleicht hat er den Mörder aus Rache ins Haus gelassen, denn der Meister hat ihm in letzter Zeit mehrmals die Rute gegeben, weil er sich in der Stadt herumdrückte, anstatt zu arbeiten. Ich finde es auch verdächtig, dass er in den letzten Wochen mit Geld angab, das ihm angebliche Freunde zusteckten. Vielleicht hat man ihn dafür bezahlt, dass er hinter dem Meister oder dem Junker herspionierte. Vorhin am Hafen habe ich gesehen, dass Melcher an Bord eines Schiffes gegangen war, das nach Bregenz …, nein, nach Lindau segelte, und ich habe mich noch gefragt, wie er an das Geld für die Überfahrt gekommen ist.«
»Darin wird kein Richter einen Schuldbeweis sehen. Er kann sich das Geld auf irgendeine Weise in der Stadt verdient haben. Wenn ein Lehrling sich rächen will, steckt er eine tote Maus in den Brotteig der Meisterin, aber er bringt keinen erwachsenen Mann um oder lässt einen Meuchelmörder ins Haus. Es sei denn …« Michel schwieg und starrte durch das winzige Fenster auf die Straße hinaus. »Es sei denn, die Tat wurde
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