Die Wanderhure
sah sich Abt Hugo gegenüber, dessen Gesicht vor Aufregung rot angelaufen war.
»Ich muss mit dir reden.«
»Gerne«, antwortete Ruppert mit jenem offenen und herzlichen Lächeln, das er einst mit viel Mühe einstudiert hatte. Genau wie jener strenge Blick, mit dem er seine Gegner vor Gericht zermürbte, war es nichts als eine Maske.
Hugo von Waldkron folgte ihm nervös in den Raum, den Ruppert als Arbeitszimmer benutzte. »Der Böttcher hat den Steinzeller Junker ermordet, genau wie du es vorausgesehen hast. Was ist jetzt mit dem Mädchen?«
»Sobald Mombert Flühi verurteilt ist, wird Jungfer Hedwig zur Leibeigenen erklärt und dir übergeben.«
»Wenn wir Pech haben, kann das wegen der Sache mit Magister Hus Monate dauern. Du aber hast versprochen, mir Meister Momberts Tochter so rasch wie möglich zu beschaffen.«
»Ich sorge schon dafür, dass der Prozess schnell über die Bühne geht. Wenn nicht alles nach Recht und Ordnung geschieht, bekommen wir beide Ärger. Solange der Vater nicht schuldig gesprochen ist, gilt das Mädchen als Bürgerin der Stadt, und der Rat würde dir einen Prozess an den Hals hängen, wenn du dich an ihr vergreifst.«
Der Abt packte Ruppert und schüttelte ihn. »Ich muss Hedwig sofort haben. Oder glaubst du, ich hätte mir das Haus in Maurach gemietet, nur um dort von ihr zu träumen? Ich vergehe vor Leidenschaft.«
»Wenn es dich so sehr drängt, dann bespringe eine Magd oder geh zu den Huren. Aber störe meine Pläne nicht mit deiner Ungeduld. Was macht es schon aus, wenn du noch eine oder zwei Wochen warten musst? Am Ende kannst du mit ihr machen, was dir beliebt. Bitte lass mich jetzt allein. Ich habe zu tun.« Ruppertlöste die Hände des Abtes von seinem Wams, öffnete die Tür und deutete nach unten.
Hugo von Waldkron stieg mit verkniffener Miene die Treppe hinunter und blieb vor der Haustür stehen. Plötzlich huschte ein böses Lächeln über sein Gesicht, und er lief mit wehendem Gewand über den Hof in das Gästehaus. In seiner Kammer angekommen verschloss er die Tür hinter sich, kramte in seiner Truhe und holte ein längliches Kästchen aus geschnitztem Holz heraus. Kurz darauf war der Tisch von fein geschabten Pergamentblättern, einem Etui mit verschiedenen Schreibfedern, einem Tintenfässchen, Siegelwachs und verschiedenen Stempeln bedeckt. Hugo von Waldkron wählte ein Blatt aus, glättete es und begann zu schreiben. Als er fertig war, schüttete er feinen Sand darüber, um die Tinte zu trocknen, und träufelte Wachs auf den unteren Rand. Dann wählte er einen der Stempel aus, musterte ihn sorgfältig und drückte ihn auf das noch halbflüssige Siegelwachs. Als er ihn zurückzog, kam das Siegel der Freien Reichsstadt Konstanz zum Vorschein.
Der Abt las das Pergament zufrieden durch und schalt Ruppert in Gedanken einen Narren. Warum sollte er auf das Mädchen warten? Es war nicht die erste Urkunde, die er fälschte. Ein großer Teil des Reichtums seiner Abtei war ihr auf diese Weise zugeflossen. Die Erben toter Herren von Stand zogen eine für das Seelenheil bestimmte Abtretung von Grundstücken und Dörfern selten in Zweifel, und wenn sie es doch taten, belehrten die Gerichte sie rasch eines Besseren. Der Abt glaubte zu wissen, dass Ruppert einen Teil seiner Erfolge auf die gleiche Art errang, denn schließlich war der Magister einst sein Schüler gewesen und hatte ihm geholfen, das Testament des alten Abtes zu seinen Gunsten zu verändern.
Mit dem Gefühl, allen anderen Menschen, auch seinem begabten Schüler Ruppert, immer eine Nasenlänge voraus zu sein, rollte er das Pergament zusammen, steckte es in eine Hülle und verließdamit die Kammer. Sein Diener saß unten in der Küche und schäkerte mit einer von Rupperts Mägden. Die Frauen waren ansehnlich und, wie der Abt festgestellt hatte, nicht abgeneigt, einem hohen Herrn zu Diensten zu sein. Doch der Gedanke an Hedwig erstickte jegliches Verlangen nach diesem zwar willigen, aber für ihn nur eingeschränkt nutzbaren Weiberfleisch. Hedwig war keine so große Schönheit wie die blonde Hure, die er auf einer seiner Fahrten von Meersburg nach Konstanz gesehen hatte und die er ebenfalls gerne in den Händen gehabt hätte. Doch Huren waren ihm zu frech und ließen sich kaum so ausgiebig benutzen, wie er es wünschte, und sie wiesen auch nicht den Schmelz der Unschuld auf, den er so liebte und der Hedwig Flühi vor allen Frauen dieser Stadt auszeichnete.
Seine wechselnden Gefühle machten ihn unduldsam, und so
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