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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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eine segnende Geste und schritt zur Tür. Er hatte sie fast erreicht, als ihm der Kaufmann nachrief: »Prior, ich bin Euch sehr zu Dank verpflichtet, dass ihr Euch in den letzten Jahren so hingebungsvoll der Ausbildung meiner Tochter gewidmet habt, und ich würde – wenn Eure Zeit es erlaubt – sie bis zu Arigunds Abreise, sagen wir zu Mariä Himmelfahrt, auch gerne weiterführen. Danach …, nun, ich hoffe, ich kann für einen möglichen Erben mit meiner neuen Frau auf Euch zählen?«
    »Gewiss«, antwortete der Geistliche knapp. Doch dann wandte er sich noch einmal um: »Ihr müsst mir nicht danken. Ich habe Arigund gern unterrichtet, für ein Mädchen ist sie ein aufgewecktes Kind. Ich hoffe, Gott wird auch weiterhin über sie wachen.«

K APITEL 2
    M ÄRZ 1268
    Annelies fand Arigund mit hochrotem Kopf in einer Ecke ihrer Kammer kauernd.
    »Herrin, was ist denn passiert?«, fragte die Zofe besorgt, doch sie ahnte bereits, dass es wieder Ärger mit dem Herrn DeCapella gegeben hatte. In den vergangenen Wochen war er oft ungeduldig mit seiner Tochter und fuhr sie wegen jeder Kleinigkeit an.
    »Ich habe mich verrechnet, nur um einen einzigen Pfennig!«, zischte die Patriziertochter gekränkt. »Weißt du, was er gesagt hat?«
    Annelies schüttelte den Kopf.
    »Fehler können sich nur die Bettler vor dem Dom erlauben. Mach so weiter, und du landest genau da!«
    Im nächsten Moment begann das Mädchen hemmungslos zu weinen. Hilflos stand Annelies daneben und wusste nicht, ob sie Trost spenden oder Aufmunterung geben sollte. In letzter Zeit war Arigund schwer einzuschätzen. Die Köchin meinte, das läge daran, dass die junge Herrin zur Frau reifte. Dann hatte Annelies eine Idee. Auf flinken Füßen eilte sie in die Küche hinunter und erbat von der Köchin ein Glas warmer, mit Honig gesüßter Milch. Sie fand Arigund bei ihrer Rückkehr regungslos an derselben Stelle, noch immer in Tränen aufgelöst. Behutsam berührte die Zofe ihre junge Herrin an der Schulter.
    »Schaut einmal, was ich Euch gebracht habe. Süße Milch, die mögt Ihr doch so gerne.«
    Arigund sah auf. Ihre Augen waren rot und verquollen, aus ihrer Nase lief der Rotz. Die Zofe stellte den Becher neben ihrer Herrin ab, sprang auf und fischte nach einem Stofftaschentuch aus der Truhe neben Arigunds Bettstatt. Sie reichte es ihrer Herrin. Die griff nach dem fein bestickten Leinentuch und schnäuzte zweimal kräftig hinein, dann nahm sie einen tiefen Schluck aus dem Becher. Annelies hockte sich neben sie. Unaufgefordert begann sie Arigunds Haar zu bürsten. Das beruhigte ihre Herrin normalerweise immer.
    »Das war so gemein«, flüsterte Arigund nach einer Weile des Schweigens, »und man konnte es bis in die Schreibstube hören. Das hat er mit Absicht gemacht. Bestimmt lachen dort jetzt alle über mich.«
    »Aber nein«, versicherte Annelies. »Schaut einmal, der Herr DeCapella liebt Euch mehr als sein Leben. Er will nur Euer Bestes. Deshalb ist er so streng.«
    »Aber ich gebe mir wirklich Mühe, und trotzdem mache ich alles falsch«, seufzte Arigund.
    »Schaut, Ihr seid doch noch jung. Es ist ganz unmöglich, dass Ihr genauso gut schreibt und rechnet wie die Männer der Schreibstube. Die machen das schon seit vielen Jahren. Zudem höre ich von denen nur anerkennende Worte über Euch.«
    »Und Pater David ist auch dauernd unzufrieden mit mir. In der letzten Schrift sind mir drei Fehler unterlaufen. Er war so wütend, dass die Ader auf seiner Stirn ganz dick geworden ist. Ich fürchtete beinahe, sie würde platzen.«
    »Pater David gibt Euch aber auch viel zu schwierige Texte.«
    Unglücklich schüttelte das Mädchen den Kopf. »Nein, ich habe einfach kein Talent fürs Griechische.«
    »Dafür habt Ihr die Stimme einer Nachtigall. Ihr könnt jeden jungen Herren in Regensburg mit Eurem Gesang verzaubern und ins Paradies entführen.«
    Sofort begannen Arigunds Tränen zu trocknen und ihre Augen wieder zu leuchten. »Du meinst wie Circe, die Tochter des Sonnengottes, die es vermochte, mit ihrer Stimme Wölfe und Bären zu zähmen?«
    Annelies nickte eifrig, auch wenn sie sich schwerlich vorstellen konnte, dass ein hungriger Wolf sich ernsthaft von bloßem Gesang besänftigen ließ. Bei Männern dagegen mochte das Arigund schon gelingen – vorausgesetzt, sie schwenkte dabei ein wenig die Hüften. Das jedenfalls behauptete Annelies’ Cousine Magda, die im Hause DeCapella als Küchenmagd diente.
    »Ach, ich wünschte, ich würde tatsächlich auf Circes Insel

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