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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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einen wählte.«
    »Wieso bist du nicht fortgelaufen?«
    »So einfach war es nicht«, murmelte Rainelf. »Ich gehörte ihm und ich konnte mich seinem Willen nicht widersetzen. Es war wie ein Zwang. Er schickte mich zuerst zu anderen Völkern. Tagelang beobachtete ich sie aus nächster Nähe, ohne mich ihnen je zeigen zu dürfen, ohne sie um Hilfe bitten zu dürfen. Ich erinnere mich noch genau, als ich das erste Kind entdeckte … bei den Halla, hoch oben im Gebirge. Ein blondes Mädchen, so wie Elfgreth.«
    Ein Zittern überlief Rainelf.
    »Er holte es beim nächsten Blutmond, noch bevor sie erweckt wurde. Er zwang mich, zuzusehen … Manchmal höre ich noch ihre Schreie. In meiner Erinnerung mischen sie sich mit denen von Elfgreth, mit denen von all den anderen …«
    Rainelf schloss die Augen und rieb sich die Stirn.
    »Mit der Zeit wurde ich immer besser. Ich erkannte die Wanifenkinder mit tödlicher Präzision und so sehr ich mich innerlich auch dagegen stemmte, ich konnte mich nicht daran hindern, ihm zu gehorchen und ihm zu verraten, wo sie sich versteckten. Irgendwann ließ ich es nicht mehr an mich heran. Irgendwann tat es nicht mehr weh. Ich war leer geworden … ein Geist.
    Ich konnte mich seinen Befehlen zwar nicht widersetzen, aber mithilfe meines Seelengeists wurde ich ein immer geschickterer Wanife. Mit der Zeit und Jahren der Übung wurde ich zum besten Wandler im ganzen Seenland.
    Nach fünfzehn Jahren schickte mich der Kelpi zum ersten Mal wieder zurück nach Ataheim. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sich das angefühlt hat.
    Ich saß im Wald, nur einen Steinwurf weit von meinem alten Zuhause entfernt und sah die Menschen, die ich so sehr geliebt hatte, so nahe, ich hätte fast nur die Hand nach ihnen ausstrecken müssen.
    Mein bester Freund, Alfanger, war der neue Heiler der Ata geworden und deine Mutter, ein wunderschönes Mädchen mit langem, schwarzem Haar saß am Seeufer und flocht Kränze aus den gleichen Narzissen, die ich ihr als Baby immer gebracht hatte. Alle wirkten so glücklich … Niemand schien mehr an mich zu denken. Man … man hatte mich einfach vergessen. Ich wollte weinen, aber ich konnte es nicht mehr, dazu hatte ich zu lange in der Geisterwelt gelebt.«
    Er räusperte sich. »Nach langer Zeit erblickte ich zum ersten Mal wieder mein Spiegelbild in einem kleinen Bächlein. Erschrocken stellte ich fest, dass ich überhaupt nicht gealtert war. Mir blickte noch immer derselbe achtzehn Sommer alte Junge entgegen, der mit seiner Schwester das Dorf verlassen hatte. Und doch hatte ich mich verändert. Kühl wie ein Wintermorgen war ich geworden und meine Augen grau wie der Raureif an den Zweigen. So ging mir allmählich alles verloren, das menschlich war. Nur in der Gegenwart meines Seelengeists vergaß ich manchmal, was für ein Halbleben ich führte. Wenn der Kelpi mich nicht gerade wieder in die Höhle verbannt hatte, rannte ich manchmal mit ihr durch den Wald, auf die höchsten Berge, zu verborgenen Quellen.
    Über die Jahre schien eine Veränderung mit dem Kelpi vorzugehen. Ich merkte es, als ich ihm gerade einen jungen Ata ans Messer geliefert hatte. Er tötete den Jungen, aber er nahm nicht mehr sein Blut, so wie er es bisher immer getan hatte. Er wartete auf etwas und er schickte mich durch das ganze Seenland, um danach zu suchen. Er tötete noch immer junge Anwärter, aber was er wollte, war etwas anderes: einen besonders mächtigen Wanifen. Wozu, das ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Erst viel später begriff ich, das Blut der Wanifen hatte ihn wohl einfach nicht mehr stärker gemacht. Deshalb wollte er …«
    »… sein Blut diesem einen Wanifen einflößen und so einen Weg in die Menschenwelt finden«, führte ich seinen Satz zu Ende.
    »Ja«, murmelte Rainelf. Sein Blick war in weite Ferne gerichtet. »Aber wie gesagt, davon wusste ich nichts. Für das erste Mal seit sehr langer Zeit fühlte ich einen Funken Hoffnung. Vielleicht würde ein so starker Wanife den Kelpi ja besiegen können und mich damit von meinem Fluch befreien. Auch wenn er mich gerade nicht dazu zwang, suchte ich fieberhaft nach diesem Wanifen, den der Kelpi zur Verwirklichung seiner Pläne brauchte. Auf meine Weise war ich dabei genauso besessen wie der Kelpi. Ich suchte jahrelang – bis ich herausfand, dass das, was ich gesucht hatte, die ganze Zeit vor meiner Nase gewesen war.
    Ich war lange nicht in Ataheim gewesen, aber ich wusste von dir … Ich hatte gesehen, wie sie Walchins

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