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Die Wanifen

Die Wanifen

Titel: Die Wanifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Anour
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Tatzelwurm um. Seine weißen Augen waren noch immer auf mich gerichtet.
    »Stell deine Frage, Kind. Die, wegen der du wirklich hier bist.«
    »Kann ich Gorman retten?«
    Der Tatzelwurm musterte mich schweigend. Ich wartete eine Weile vergeblich darauf, dass er antwortete. Schließlich nickte ich ihm kurz zu und lief zurück, in die Richtung, in der Rainelf wohl schon auf mich wartete.

Kapitel 16
    Der Menschgeist
     
     
     
    A uf dem Rückweg durch die Höhle dachte ich über die Dinge nach, die der Tatzelwurm mir erzählt hatte, aber ich konnte mir keinen richtigen Reim darauf machen. Besonders hilfreich war das Ganze jedenfalls nicht gewesen. Vielleicht würde sich ja alles irgendwann mal zu einem Bild zusammenfügen und ich würde im richtigen Augenblick wissen, was ich zu tun hatte.
    Genau, Ainwa. Und das rothaarige Mädchen war gar nicht tot, Kauket würde mir verzeihen, die Wanifenzwillinge ihre Fehler einsehen und Gorman würde sich auf wundersame Weise zurückverwandeln.
    Wer’s glaubt … Ich musste wohl einfach einsehen, dass mir der Tatzelwurm keinen brauchbaren Rat gegeben hatte.
    Rainelf erwartete mich genau an der Stelle, an der ich ihn zurückgelassen hatte. Im Fackelschein erschien er mir noch geisterhafter als sonst.
    »Und?«, fragte er neugierig, als ich mich näherte. »Was hat er dir erzählt?«
    »Es sollte nicht schwer werden. Alles, was ich tun muss, ist, zu sterben.«
    Rainelf musterte mich stirnrunzelnd, als ich an ihm vorbeiging.
    »Das ist es?«, meinte er und folgte mir. »Du springst von einer Klippe – und Ata kehrt zu dir zurück?«
    »Ich glaube nicht, dass es so einfach ist.«
    Rainelf lächelte. »Irgendwie komisch, dass er gerade dir so etwas Seltsames prophezeit. Seit ich dich kenne, betrügst du den Tod, immer und immer wieder …«
    »Sieht so aus, als hätten wir da etwas gemeinsam.«
    »Was meinst du damit?«, fragte Rainelf verwirrt.
    Ich schloss für einen Moment die Augen.
    Die Zeichen waren da gewesen, schon als er mir zum ersten Mal begegnet war – nur hatte ich sie damals noch nicht zu deuten vermocht. Eigentlich hätte ich nicht den Tatzelwurm gebraucht, um zu begreifen, dass Rainelf nicht der Wanife der Abira war. Was genau er war, das konnte ich nicht mit Sicherheit sagen, aber ich hatte endlich begriffen, wer er war.
    Sein Auftauchen, das genau mit dem Verschwinden des Kelpis zusammenfiel, dass er das Wandeln so meisterhaft beherrschte, obwohl er nicht viel älter sein konnte als ich … Alfangers entgeisterter Blick, als er ihn in seiner Hütte gesehen hatte.
    »Ich weiß, wer du bist … Elman .«
    Rainelf erstarrte mitten im Schritt.
    »Wie hast du mich gerade genannt?«
    »Du hast mich gehört«, sagte ich leise. »Du hast mich angelogen, seit wir uns das erste Mal auf diesem Kraftplatz begegnet sind, dabei hätte ich darauf kommen müssen … Du kleidest dich wie ein Ata, du redest wie ein Ata … du bist ein Ata. In der Nacht, als du mich vor Gorman gerettet hast, war Alfanger zu Tode erschrocken, als er dich gesehen hat. Wie denn auch nicht? Nach vierzig Sommern sieht er seinen tot geglaubten Freund vor sich stehen, jung und unversehrt, genau wie damals, als er und seine Schwester verschwanden.«
    »Ich muss mir so einen Unsinn nicht anhören.« Rainelf schob sich an mir vorbei.
    »Du hast recht, das musst du nicht«, rief ich ihm hinterher. »Ich will dich nicht zwingen. Ganz im Gegenteil, ich biete dir an, zuzuhören.«
    »Du bietest es mir an?«, erwiderte Rainelf mit einem unsicheren Lachen und verharrte.
    »Ganz genau. Du hast mir das Leben gerettet, zweimal. Ich schulde dir etwas. Ich bin wahrscheinlich die Einzige, der du die Wahrheit anvertrauen kannst. Du bist ein Mensch, Rainelf, aber du lebst allein im Wald, verschwindest und tauchst wieder auf, als wärst du ein Geist. Wahrscheinlich hast du deine Gründe dafür, aber für mich hört sich das nach einem sehr einsamen Leben an … Ich denke, du brauchst jemanden, der sich fragt, wo du diesmal wieder hin verschwunden bist und darauf wartet, dass du zurückkommst.«
    Rainelf starrte zu mir herüber. Seine Augen waren weit aufgerissen, als wäre er ein Wolf, den ich auf einer Lichtung überrascht hatte.
    Er kam auf mich zu, packte mich an meinem Hemd und drückte mich mit erstaunlicher Kraft gegen die Höhlenwand.
    »Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst«, zischte er.
    »Ich denke, doch«, erwiderte ich grinsend.
    »Bei Ata, kennst du denn überhaupt keine Angst?«
    »Nicht vor dir«,

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