Die Wasserfälle von Slunj
gebracht, ohne Zuhälter das Auslangen zu finden. Vielleicht war es nicht immer so gewesen. Vielleicht gab es eben darum für beide kein Zurück in diesem Punkte. Solches wußte übrigens auch die Wewerka.
Als die Hausmeisterin mit Trinkgeld abgegangen war, stand Chwostik am Fenster und sah in die Gasse hinaus. Dieses Zimmer war das Schlafzimmer seiner Eltern gewesen. Noch standen die Ehebetten, wo sie durch Jahrzehnte gestanden hatten. In der Gasse unten ging niemand, zeigte sich niemand, sie lag leer in Grau und Gelb. Die Hausmeisterin hatte gesagt, daß man in jedes der Zimmer links und rechts des von ihm bewohnten Kabinettes eines von den Betten stellen müsse, übrigens auch ein Sofa, aber darum brauche sich Chwostik nicht zu kümmern, im Wohnzimmer sei ohnehin eines, und ein zweites, bei einer Übersiedlung stehen geblieben, wisse sie am Dachboden und werde es herunter schaffen lassen; es sei so ähnlich wie sein Diwan im Kabinett, auf welchem er schlafe ..... Er war bedrückt, Chwostik; die Aussicht auf ein beinahe verdreifachtes Monatseinkommen half augenblicklich nur wenig, seine Stimmung zu verbessern.
Plötzlich aber, auf einen der Füße blickend, worauf die Ehebetten recht hoch standen, auf den linken vorderen, wußte er, daß hier die Stätte des größten Glückes war, das er je im Leben empfunden: mit der neuen Eisenbahn, dem einzigen kostbaren Spielzeug seiner ganzen Kindheit. Sorglich bewahrt. Bis heute. Er besaß sie noch, in ihrer schönen mächtigen Schachtel.
Er hatte sich in den Weihnachtstagen in’s Schlafzimmer seiner Eltern damit zurückziehen dürfen, um ungestört zu spielen. Der Schienenkreis war um den einen Bettfuß herumgegangen, und der Zug immer wieder im Dunkel verschwunden und daraus hervorgekommen. Ganz wie die Wiener Stadtbahn mit ihren Tunnels.
Es gab also das Glück. Chwostik kannte es ja aus eigener Erfahrung! Er kannte es auch von den Ausflügen mit Vater und Mutter auf die Raxalpe. Dies war das einzige Vergnügen gewesen, das der Kellner Chwostik sich von Zeit zu Zeit vergönnt hatte, und bis in seine letzten Jahre: früh auf am Sonntag, bei Dunkelheit noch, aber vor dem Mittag bereits auf der Höhe. Die windgeschützte Rast irgendwo und der staunende Ausblick über die jähen Kalkklippen auf die wie dunkle gebauschte Tücher hingeworfenen Wälder unten.
Pēpi kannte den Berg. Viele seiner Schründe, Wände und Steige. Vergessen alles, seit er bei Clayton & Powers war. Aber es sollte wieder sein.
D ie Wewerka, welche mit dem hausmeisterlichen Gatten (welch’ Wort des Schreckens wird das hier!) und ihrem Stiefsohn im Erdgeschoße, ja, fast im Keller, in troglodytischer Enge hauste (viel später erst gab es auch dort Gasbeleuchtung), wäre nach Ableben des Ehepaares Chwostik gerne Aspirantin auf die Wohnung geworden. Aber es ist ihr damals nicht gelungen, den Hauseigentümer (der in einem anderen Stadtviertel lebte) zur Kündigung der Wohnung des jungen Chwostik zu bewegen. Der Hausherr sah einfach keinen Grund dazu, und blickte die Wewerka nicht sehr freundlich, sondern eher schon gläsern an, als er merkte, wo sie hinaus wollte; also, daß jene sich veranlaßt sah, rasch einiges Vorteilhafte über Herrn Chwostik zu sagen. Eine Hausmeisterin müsse im Parterre wohnen, das sei überall so, meinte der Hausherr, und sie habe sich ja bisher auch beholfen. Es sei bei ihm nicht der Brauch, Wohnparteien ohne Grund zu kündigen. Wenn jedoch der junge Herr Chwostik seinerseits einmal würde anderswohin übersiedeln wollen: dann wäre er gerne bereit, als nächsten Mieter in erster Linie ihren Stiefsohn in Betracht zu ziehen.
Von dieser Seite also war die Chwostik’sche Festung nicht zu berennen, das sah die Wewerka ein. Jetzt aber, seit die Weiber oben ihr Wesen trieben, hätte sie doch immerhin etwas über Chwostik zu sagen gewußt; zumindest dies, daß er, was seinen Lebenswandel, seine Führung, seinen Leumund betraf, entschieden eine schwache Stelle hatte, daß er auch vom gesetzlichen Standpunkte anfechtbar war. Man sieht, Finy und Feverl waren zu einer Art gedoppeltem Trojanischen Pferde geworden, nur hatten sie gegenüber einem solchen zwei wesentliche Vorzüge: man mußte ihretwegen keine Mauern niederreißen (im Gegenteil! man mußte sogar Möbelstücke vorschieben), und außerdem: sie warfen was ab. Nicht gerade goldene Äpfel, was ja das trojanische Pferd garnicht getan hat; mindestens aber jede für jede Nacht vierzig Kreuzer an Sperrgeldern. So blieb die
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